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Salvador Dalí verstand es, sich in Szene zu setzen. Nachzulesen ist das nun auch in der Sonderausgabe seines "autobiografischen" Romans "Das geheime Leben des Salvador Dalí", herausgegeben anlässlich seines 100. Geburtstages.

Normalerweise beginnt man seine Memoiren gegen Ende des Lebens, im Alter zu schreiben, dann wenn das Leben schon vorbei ist'. Doch bei meiner Angewohnheit, alles anders als die anderen zu tun, das Gegenteil von dem zu tun, was die anderen tun, dachte ich, es sei intelligenter, meine Memoiren zuerst zu schreiben und sie danach zu leben."

Soweit Salvador Dalí, am Ende seiner "Memoiren", die er als 37-Jähriger in den USA verfasst. 691 Seiten voll Selbststilisierung und -inszenierung, erzähltes, erfundenes Leben, das auch Dalís pränatale Phase mit einschließt. Mit Salvador Dalí ist am 11. Mai 1904 in Figueras der Welt ein Genie geboren, soviel steht fest.

Ein Roman über Dalí. Autobiografisch? Pseudoautobiografisch? Der Leser betritt wie der Betrachter von Dalís Bildern schwankenden Boden. Ist Dalí doch, wie er selbst verrät, ein Meister im Produzieren falscher Erinnerungen. Warnhinweise für den Leser finden sich in dem Buch zuhauf. "Aber der scharfsichtige Leser wird bereits unschwer erkannt haben, daß Bescheidenheit nicht meine Spezialität ist", heißt es etwa schon zu Beginn, und: "Eines wenigstens steht fest: Alles, absolut alles, was ich hier sagen werde, ist gänzlich und ausschließlich meine Schuld." Als eindeutiger Interpretationsschlüssel für das Werk, als Faktenlieferant für Informationssüchtige taugt dieses Buch daher nicht, auch wenn es von realen Lebensdaten, von realen Personen erzählt. Zum Verständnis des Künstlers hingegen trägt es dennoch viel bei, offenbart Dalí doch gerade in seiner Fabuliererei sehr viel von sich, vor allem von seiner Kunstauffassung.

Nicht das zu tun, was man von ihm erwartet, sondern "dauernd, systematisch und um jeden Preis genau das Gegenteil dessen zu tun, was jedermann sonst tat": das will Dalí als Folie seines Lebens, seines Werkes verstanden wissen - ob er es durchgehalten hat, bis zu seinem bitteren Lebensende 1989, das sei dahingestellt. In seinem Roman freilich weist er wieder und wieder darauf hin. Sein Studium an der Kunstakademie in Madrid, während dessen er zum Schrecken seiner Professoren nicht das malt, was "man sieht", sondern das, was er assoziiert, beendet er nicht. Er experimentiert in den unterschiedlichsten Stilen, impressionistisch, futuristisch, kubistisch, realistisch, vor allem aber war er phantastisch und surrealistisch produktiv. Sich den unbewussten Assoziationen überlassend, kennt er in dieser Phase keine moralischen Tabus, weder aus dem Bereich der Sexualität, noch der Religion. (Das wird sich für den angepassten Millionär in der Franco-Ära ändern.)

Genialer Schriftsteller

Geradezu leichtfüßig spielt der Schriftsteller Dalí mit Sujets und literarischen Formen, kreiert er Mehrfachbilder und Mehrschichtigkeit mit Sprache. Auch die Unterhaltung kommt bei der Lektüre nicht zu kurz, vor allem wenn er Kindheitsanekdoten und Legenden von sich gibt. Was er will, wird ihm zum Bild. "Tcheltitchew hatte mir soeben den Weg durch den Untergrund gezeigt, und damit genau die Formel für meinen Erfolg. Von nun an sollte ich immer die Okkulten, esoterischen Untergrundbahnen des Geistes benutzen."

Stilisiert wird von ihm vor allem die Beziehung zu Gala. In der Schilderung ihrer Bedeutung für den Künstler scheint bei aller mystischen Überhöhung auch die meiste Ehrlichkeit zu liegen. (Nach ihrem Tod im Jahr 1982 wird Dalí einen Selbstmord versuchen).

Gala, zunächst noch Ehefrau des surrealistischen Dichters Paul Eluard, erlöst ihn von Wahnvorstellungen und unkontrollierbaren Lachanfällen. Sie wird zu seiner Agentin, die täglich auf Kundenfang geht. Denn Dalí ist zwar schon ein Name, aber Geld hat er noch keines. Dass er aber wie kaum jemand anderer sein Marketing beherrscht, auch das kann man in seinem Roman nachlesen, der ein Teil davon ist.

Nicht ohne Tradition

So kurzweilig die Lektüre auch ist, zunehmend verliert der Text an Verspieltheit, wird er verbissener, vor allem wenn es um zeitgenössische Kunst geht. Dalí lehnt lauthals alles Neue, Formlose ab, das ohne Tradition auszukommen meint. Kritisiert Nivellierung und Vereinheitlichung durch Internationalisierung. Beweint das Fehlen von Strenge, Form, Tragödie und Seele, besonders deutlich wird er, wenn es um die "Wilden" geht: "Man hatte soeben die Kunst der Neger auf den Thron erhoben, und das mit Hilfe Picassos und der Surrealisten!" Er bemitleidet die Welt, die im Radio die Errungenschaft sieht. Seine politische Provokation gipfelt in dem Satz: "Was bedeutet das sozialistische Ideal eines höheren Lebensstandards für den Menschen, der fähig ist, an die Auferstehung seines eigenen Fleisches zu glauben?" (Übrigens ist beim Lesen kaum zu erahnen, dass, während der Text geschrieben wird, Europa zu verbrennen droht. Politik ist für Dalí kaum Thema.)

Gegen Ende ein Glaubensbekenntnis: "Ich glaube vor allem an die reale und unergründliche Kraft des philosophischen Katholizismus Frankreichs und an die des militanten Katholizismus Spaniens." In dem Wissen, dass Dalí sich Jahre danach, wieder in Spanien lebend, bestens mit dem Franco-Regime arrangiert, in den Schoß der katholischen Kirche zurückkehrt und sich als Mystiker bezeichnet, liest sich der Roman wie eine Prophetie. Was Dalí wollte - in der Mitte des Lebens dem eigenen Leben vorherzuschreiben - scheint ihm gelungen.

Vielleicht kann man sein "Weiches Selbstbildnis mit gebratenem Speck" auch so lesen: zur Konsumation geeignet. Für manche schwer verdaulich, für manche Fast Food, hat Dalí vor allem sich selbst meisterhaft als Produkt verkauft. Was nachzulesen ist.

Das geheime Leben des Salvador Dali

Von Salvador Dali

Übertr. u. Nachw. v. Ralf Schiebler

Verlag Schirmer/Mosel, München 2004. 704 Seiten m. 130 Zeichn.,

geb., e 41,-

Abbildungen aus:

Salvador Dali - Meisterwerke der dreissiger Jahre.

Verlag Schirmer/Mosel, München 2003

117 Seiten m. Abb., kart., e 5,10

Weitere Bücher zu Dalí:

Salvador Dalí

Von Gabriele Ebbecke

Verlag Prestel, München 2004

71 Seiten m. Abb., kart., e 7,20

Salvador Dalí

Von Meryle Secrest

Heyne Verlag, München 2004

525 Seiten, kart., e 10,30

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