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Ein kleines, feines Buch über die Frage nach dem radikal Bösen.

Das Böse hat einen Namen, ein Gesicht: Osama bin Laden. Mit ihm ist das Unfassbare verbunden: der 11. September 2001, der 11. März 2004 und der 7. Juli 2005. Die Anschläge muslimischer Fundamentalisten haben die westliche Welt erschüttert; sie hat man als das "radikal Böse" bezeichnet - um das Entsetzen und die Abscheu irgendwie zu artikulieren.

Was aber ist das Böse, was das radikal Böse? Wie begegnet man ihm? Kann man ihm überhaupt begegnen? Oder ist das Gute dem Bösen ausgeliefert? Mit Fragen wie diesen haben sich die Hannah-Arendt-Experten - unter ihnen Susan Neimann, der frühere Bundeskulturminister und Philosophieprofessor Julian Nida-Rümelin und Bayerns Innenminister Günther Beckstein - beschäftigt. Ihr suchendes Fragen liegt in einem kleinen, aber feinen Buch vor.

Das Banale verstehen

Warum sich Hannah-Arendt-Tage mit den seismologischen Folgen der islamistischen Terroranschläge beschäftigen, die wie ein Erdbeben die gesellschaftliche Normalität zerstörten, liegt auf der Hand. Es war Hannah Arendt, die deutsche Jüdin, die den Begriff der "Banalität des Bösen" aus ihren Beobachtungen des Prozesses gegen Adolf Eichmann in Jerusalem destillierte. Und die wie keine zweite nach einer Erklärung für das Böse suchte. Um es zu versehen, nicht aber um es zu entschuldigen, wie ihr Kritiker bis heute vorwerfen, wie Susan Neimann in ihrem Beitrag "Das Banale verstehen" schreibt.

Dabei wendet sich diese Banalität des Bösen gegen die ihm - auch heute wieder - zugeschriebene Dämonie, die scheinbar alles erlaubt, was das Böse abwendet. Auch das Foltern. Was insofern problematisch sei, merkt Neimann an, als gerade Abu Ghraib auch eine Form des Bösen sei - nur eben nicht so sichtbar wie 9/11. Und wenn, so kann man einfach folgern, die USA das Foltern legalisieren wollen, wer sollte dann die anderen davon abhalten, das gleiche zu tun?

Das Böse ist eine schillernde Kategorie, die man gerne nur den anderen zuschreibt. Das Böse aber kann immer auch reflexiv verstanden werden. Und indirekt. Darauf, dass wir auch an kollektiven Handlungen Verantwortung tragen, hat Julian Nida-Rümelin hingewiesen: "Diese Person hatte das gemeinsame Ziel, sie hat sich entsprechend beteiligt, sie wusste zumindest, was das Ziel dieser jeweiligen kollektiven Handlungsformationen ist, hat sich also beteiligt und trägt Mitverantwortung."

Deshalb, so folgert er, könne man selbst den Mitläufern im Nationalsozialismus die Verantwortung nicht erlassen. Oder auch den mündigen Bürgern einer Demokratie, mag man hinzufügen, die gegen die Kriegspolitik ihrer Regierung nichts tun. Oder sie sogar unterstützen. Warum Neimann wohl nicht zu unrecht anmerkt, dass die Ziele der Piloten von 9/11 "ebenso berechtigt wie bösartig" waren. Manchmal reichen sich das Böse und die Verantwortung eben die Hand …

Keine Ausgrenzung

Was tun? Bayerns Innenminister Günther Beckstein entwickelt in seinem Beitrag eine langfristige Strategie, die auf Integration und nicht auf Ausgrenzung setzt. "Für mich ist es eine vordringliche Aufgabe, unsere muslimischen Mitbürger im Interesse eines friedlichen Miteinanders so gut wie möglich zu integrieren", schreibt Beckstein. Womit sich der Kreis schließt. Denn Integration ist ein Prozess, an dem beide Seiten beteiligt sein müssen.

Das Böse, das kann man aus diesem Buch lernen, ist ein schwieriger Begriff, der allzu leicht und gedankenlos verwendet wird. Und der, hat man ihn einmal aufgedrückt, Koexistenz nur schwerer macht. Das ist keine Antwort. Aber etwas, worüber sich nachdenken lohnt…

Das Böse neu denken

Hg. von Detlef Horster

Velbrück Verlag, Weilerswist 2006. 101 Seiten, kart., € 14,40

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