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Kleinkunst-Held der Zw ischenkriegszeit

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Im März 1938 kam der Anschluß, im Juli 1938 wurde die Familie des bekannten Wiener HNO-Pro-fessors Viktor Hammerschlag aus deren Wohnung am Aisergrund vertrieben, dem Sohn Peter gelang zunächst eine Ausreise nach Jugoslawien, doch mußte auch er Ende 1939 wieder nach Wien zurück. Beim Straßenbau und bei einer Leergutsammelstelle der Deutschen Wehrmacht im Wiener Prater leistete er ab 1941 Zwangsarbeit, als seine Eltern 1942 nach The-resienstadt deportiert wurden, tauchte er unter - unter anderem beim damaligen Burgtheater-Kapellmeister Alexander Steinbrecher. Der Tag seines Abtransports nach Auschwitz, der 17. Juli 1942, ist das letzte erhaltene „Lebensdatum” Hammerschlags...

Dem Kabarettisten, Schriftsteller und Graphiker Peter Hammerschlag widmet das Jüdische Museum der Stadt Wien - in Kooperation mit dem Literaturarchiv der Nationalbibliothek und dem Bezirksmuseum Aiser -grund - eine Spezialausstellung unter dem Titel „Kringel, Schlingel, Bor-gia” (einem originellen Buchumschlag-Entwurf entnommen).

In der blühenden Wiener Klein-kunstszene der Zwischenkriegszeit war Hammerschlag eine zentrale Persönlichkeit. Nach ersten Gedichten während der Schulzeit und einer Ausbildung als Graphiker arbeitete er als Autor und Illustrator für verschiedene Zeitschriften. Nach einem kurzen kabarettistischen Zwischenspiel in Berlin (1929/30) war er ab der Eröffnung von Stella Kadmons Kleinkunstbühne „Der liebe Augustin” 1931 deren Hausautor, „Blitzdichter”, Conferencier und Schauspieler.

Mit sprühendem Wortwitz und scharfer Charakterisierungskunst, treffender Ironie und zeitkritischem Verstand brillierten seine Beiträge.

Von Hammerschlags graphischer Begabung zeugen in dieser sorgfältig erarbeiteten Ausstellung unter anderem bisher unveröffentlichte Aquarelle für ein geplantes Kinderbuch. Auch ein bisher unbekanntes Romanfragment findet sich unter den Objekten, deren Wiederentdeckung der wissenschaftlichen Aufarbeitung jüngst angekaufter Nachlässe in der Nationalbibliothek zu danken ist. Werkmanuskripte, Zeichnungen, Dokumente und Fotos geben auch einen guten Einblick in die Atmosphäre des Wien der Zwischenkriegszeit.

Zur Ausstellung gibt es eine „Kabarettistische Soiree” mit Ernst Jandl und Gerhard Rronner in der Nationalbibliothek (14. Oktober), eine Lesung (samt CD) von Erwin Steinhauer im neuen ORF-Literaturcafe in der Argentinierstraße (29. Oktober), die Neuerscheinung einer Gedichtauswahl im Zsolnay-Verlag (Präsentation im Jüdischen Museum am 4. November) und eine Abschlußveranstaltung im Bezirksmuseum Aisergrund (13. November).

Er „liege hingegossen wie Madame Becamier” am Lastwagen, „führe anmutige und kurze Gespräche mit Bewohnern von Favoriten, Brigitten-au, Floridsdorf und Kagran” und „sei stolz auf seinen schönen neuen blauen Arbeitsanzug” schreibt Hammerschlag über die Straßenbau-Zwangsarbeit in seinem - vermutlich letzten - Brief in einer unnachahmlichen Mischung von Würde und Ironie.

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