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Peter Hammerschlag

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Der Paul-Zsolnay-Verlag hatte in das Theater der Courage gelockt: „Freu dich mit Peter Hammerschlag!“ Und er hatte damit nicht zuviel versprochen: die Freude war groß.

Sie war indes nicht ungetrübt, weil der Abend ja nicht nur daran erinnerte, daß Peter Hammerschlag gelebt hatte, sondern notabene auch daran, daß er gewaltsam um dieses sein Leben gebracht worden war. Und dies nicht eigentlich um seines Judentums, sondern um seines Wie-nertums willen: der schon nach Jugoslawien Gerettete kehrte in einer Art Heimweh zurück und fiel prompt der SA in die Mörderhände.

Und nun also hatten die überlebenden Freunde und späteren Liebhaber sich zusammengetan, um den physisch Toten ins literarische Leben zurückzurufen. Friedrich Torberg, dessen phänomenales Gedächtnis dazu half, die verstreuten Blätter zu sammeln und das Fragmentarische authentisch zu ergänzen, Friedrich Torberg also improvisierte eine Conference und rezitierte auch selber — wobei ihm mit Hammerschlags ungedrucktem lyrischen Pamphlet „Die Juden“ (von 1931) nole'ns volens der Nachweis gelang, wie innerlich stark das Judentum in Österreich zwischen dem alten Kaiser und dem neuen Führer gewesen sein muß, da es solche Selbstkritik sowohl hervorrief als auch verkraftete: „Wildlebende Israeliten“ und so fort bis zu dem Schlüsse:

„Das mächt' ich mir anschaun, nächstens! Vorausgesetzt, daß sie noch leben?

Nur in den Kaffeehäusern, höchstens. Da dürft' es noch einige geben: Sie haben die Fuß' auf den

Tischen, Und müssen sich fürchterlich schämen, Weil ringsherum in den

Nischen

Die Juden sich s o schlecht benehmen.“

„Vorausgesetzt, daß sie noch leben“, und sie leben nun nicht mehr, diese Juden, die Wien mitgeprägt haben von den hohen Wissenschaften und den großen Künsten bis — gerade auch — in die Kleinkunst hinein, ins Cabaret von der Art des „Lieben Augustin“, als dessen „Hausdichter“ der junge Hammerschlag sich ersten Beifall holte. Und als da nun die einstige „Augustin“-Prinzipalin Stella Kadmon und die einstige Kollegin Hertha Pauli ihre Erinnerungen hinlächelten und der einstige Bühnenbildner Bil Spira spontane Illustrationen hinwarf; und als, aus der vergleichsweise jüngeren Generation, Ulli Fessl sang, was Gerhard Bronner musikalisch untermalt hatte, und Sylvia Lükan und Fritz Muliar einige der makabren, grotesken, komischen, skurrilen (und immer auch ein bißchen weisen) Balladen sprachen und sprechend spielten: da gedachte man nicht nur des Peter Hammerschlag, sondern auch jener ganzen Epoche, und insbesondere alles dessen, was mit ihrem blutigen Ende hingesunken ist und nie mehr wiederkehrt. Die Freude war wirklich nicht ungetrübt.

Geblieben ist — als ein schwacher und dennoch stärkender Trost — ein Buch von gut 150 Seiten: „Der Mond schlug grad halb acht“, Grotejsk-gedichte, eingeleitet und herausgegeben von Friedrich Torberg, mit 51 Federzeichnungen von Bil Spira, im Paul-Zsolnay-V erlag. Geblieben ist ein quantitativ winziges Oeuvre, das auf seiner spezifischen Ebene und auf seine originelle Weise, gleichsam um sämtliche Ecken des Erdballs herum, aber genauso jene „Welt von gestern“ repräsentiert, die ein Rilke besungen, ein Kafka bebildert, ein Musil ironisiert, ein Kraus attackiert, ein Herzmanovsky-Orlando verkauzt hat Drum dennoch: „Freu dich mit Peter Hammerschlag!“

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