Larissa Reissner - © Foto: IMAGO / Kharbine Tapabor

Larissa Reissner: Die Frau, die Gott und die Welt kannte

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In seinem neuen Roman „Damenopfer” setzt Steffen Kopetzky der Revolutionärin Larissa Reissner als unbeugsame Visionärin der frühen 1920er Jahre ein literarisches Denkmal.

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In seinem neuen Roman „Damenopfer” setzt Steffen Kopetzky der Revolutionärin Larissa Reissner als unbeugsame Visionärin der frühen 1920er Jahre ein literarisches Denkmal.

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Froh muss man sein, dass es den Schriftsteller Steffen Kopetzky gibt. Während sich viele seiner Kolleginnen und Kollegen inzwischen in einem Kokon kleinteiliger autobiografischer Erinnerungen verbarrikadieren, geht er aufs Ganze. Am Schreibtisch in seiner oberbayerischen Heimat verfasst er ausladende historische Romane, die tief in die Geschichte des 20. Jahrhunderts eintauchen. „Risiko“ und „Propaganda“ hießen zwei seiner erfolgreichsten Bücher, die überzeugend zeigten, dass im Genre des Historiendramas nicht nur triviale Schmonzetten zuhause sind, deren Verfasser so tun, als hätten sie mit Martin Luther oder Madame Pompadour ständig zu Tisch gesessen. Dass die Preisjurys bislang Kopetzkys Romane weitgehend ignorieren, spricht übrigens nicht gegen ihren Autor.

Kopetzky lässt sich, nach sorgfältiger, intensiver Recherche, auf Seitenstränge der Geschichte ein, schildert unvertraute Konstellationen und blendet jene Scheidepunkte auf, an denen die Ereignisse den einen und nicht den anderen Lauf nahmen. Im Mittelpunkt seines neuen Romans „Damenopfer“ steht eine Frauenfigur, deren kurzes, gerade mal dreißig Jahre umfassendes Leben Stoff für ungezählte Romane und Filme hergäbe.

Eine Frau der vielen Kontakte und Talente

Larissa Reissner heißt diese 1895 in Lubin geborene und 1926 in Moskau an Typhus verstorbene Ausnahmeerscheinung, die als Schriftstellerin, Aktivistin, Kommandantin der russischen Flotte und Revolutionärin auf allen Bühnen präsent war und vielfältigste Freund- oder Bekanntschaften pflegte. Gorki, Trotzki, Lenin, Anna Achmatowa, Ho Chi Minh oder Boris Pasternak, der ihre Grabrede hielt, gehörten zu ihrem Umfeld, und genau das macht sich Kopetzky zunutze, um seinen Roman zu strukturieren. Anders als in seinen vorangegangenen Büchern wechselt er von Kapitel zu Kapitel die Perspektive und lässt jene Männer und Frauen sprechen, die mit Reissner in Kontakt kamen.

So vertraut Kopetzky einer Schnitttechnik, die von den Leserinnen und Lesern verlangt, sich selbst ein Bild von der Geschilderten zusammenzusetzen. Zwangsläufig bringt es dieses Verfahren mit sich, dass Larissa Reissner auch nach über 400 Seiten fast als eine Fremde, als eine psychologisch nicht recht fassbare Figur erscheint, und manchmal – wenn Drehbuchpassagen und Protokolle eingeblendet werden oder Reissners Totengräber zu Wort kommen – tut Kopetzky des Guten zu viel.

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