7133831-1997_38_21.jpg
Digital In Arbeit

Aus der französischen Provinz

Werbung
Werbung
Werbung

Das Buch berichte von der Freundschaft eines Deutschen mit einem Bauern in den Bergen der Dröme, schreibt Christoph Meckel im Vorspann. Beide leben im Dorf Villededon im Hinterland des Departements. Meckel-Kenner wissen, wo sie ihren Finger auf der Landkarte zu plazieren haben.

Villededon ist ein Hinterweltort mit der provinztypischen alltäglichen Grausamkeit zwischen Wirtshaus, Kirche und Friedhof, jener Mischung aus Ignoranz und selbstbewußter Beharrlichkeit der Bewohner, mit der beinahe korrumpierend schönen Kargheit der Natur, kurz ein Ort, in dem es sich leben, arbeiten und sterben läßt ohne viel Federlesens. Meckels Nachbar ist der Bauer Ma-thieu: bescheiden, still und auf seine

Weise lebensklug, aber auch stur und borniert, voller Vorurteile und natürlich mit dem unverbrüchlichen Stolz auf die große Nation. Nicht leicht ist es da für einen Deutschen, Einlaß zu finden als fremder Gast, Künstler zumal, der nichts Gescheites gelernt hat.

Meckel berichtet vor allem von alltäglichen Dingen, der Sorge um die Ernte, den Unbilden der Natur, der Mordlust der Jäger, der lokalen Säuferboheme, der Gartenkunst der Frauen, den Tüftlern, Ganoven und Honoratioren der Ortschaft. Es entsteht ein anschauliches Panorama französischen Landlebens, in dem die Zeit keine Rolle zu spielen scheint und doch unaufhaltsam voranschreitet. Die Natur verkrautet und verwüstet, und Bauern wie Mathieu wissen, daß sie die letzten ihrer Art sein werden. Sie haben nicht einmal eine eigene Biographie, sie verschwinden in sich selbst und aus der Geschichte.

Selten habe ich ein so genaues Porträt vom Leben im französischen Hinterland gelesen wie in diesem Büchlein von Meckel mit seiner gelungenen Balance von Distanz und Nähe zu den Bewohnern. Da wird nicht psy-chologisiert und enträtselt, nichts in die Fiktion hinübergeflunkert, wird nicht über die Menschen geschrieben, sondern von ihnen berichtet. Dennoch handelt es sich um kunstvolle Prosa, deren Geheimnis Meckel entdeckt zu haben scheint. Ich gestehe, daß mir diese berichtenden Bücher Meckels am besten gefallen. Das Buch über den unbekannten Menschen ist ein poetisches Kleinod, in dem ich immer wieder lesen werde.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung