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Miriam Meckel war Fernsehmoderatorin, Staatssekretärin und ist heute eine der bekanntesten Professorinnen Deutschlands. Sie wandelt sich zur Mahnerin im Umgang mit Social Media.

Was tut man, wenn man bereits alles erreicht, aber das halbe Leben noch vor sich hat? Die wenigsten Menschen müssen sich diese Frage stellen, die deutsche Kommunikationswissenschaftlerin, Autorin, ehemalige Fernsehmoderatorin und Staatssekretärin Miriam Meckel muss jedoch erst lernen, damit zu leben. Die Tochter eines Gymnasialdirektors und Theologen wurde mit 31 Jahren jüngste Professorin Deutschlands. Sie war Regierungssprecherin und Staatssekretärin in Nordrhein-Westfalen, ist seit 2005 Professorin an der Univesität St. Gallen. Mit 42 schrieb sie über ihre Erfahrungen mit dem späteren Burn-out. Heute positioniert sich Meckel in Deutschland als akademische Chefkritikerin von Google und Facebook.

Meckel ist erfolgreich und glamourös. Sie ist hübsch und seit Jahren liiert mit der ebenfalls gut aussehenden Talkmasterin Anne Will. Was Meckel in ihren Podcasts und Vorträgen sagt, ist stets einfach zu verstehen, klingt immer plausibel und moralisiert mit der zwingenden Legitimität einer arrivierten Professorin. So wird sie derzeit zum nächsten "Public Intellectual“ in Deutschland. Zum Gewissen und Verstand der Nation in Fragen der Medien und Massenkommunikation.

Thesen zur Macht des Internets

Nachdem sie sich vor rund drei Jahren mit ihren Burn-out-Erfahrungen erstmals wieder an ein breites Publikum wandte, erschien 2011 ihr jüngstes, internetkritisches Buch "NEXT - Erinnerungen an eine Zukunft ohne uns“. Am 22. Oktober stellte sie die Grundrichtungen ihrer darin vertretenen Überlegungen zur Macht des Internets in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im Rahmen der Hedy Lamarr Lectures Reihe vor. Meckel beschäftigt in rascher Folge also wiederum ein Thema, das zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung gerade mehr und mehr Raum in Weblogs und klassischen Medien einnimmt.

Das Grundproblem in diesem Diskurs ist dabei folgendes: Nicht nur Facebook, auch die Suchmaschine Google personalisiert ihre Suchergebnisse bereits seit einiger Zeit zunehmend präzise. Das heißt: Abhängig von Interaktionen, Klicks, Suchanfragen und dem geografischen Ort der jeweiligen Nutzer, gewichten, arrangieren und selektieren diese Internetunternehmen die Ergebnisse, die sie den Nutzern zeigen. Das klingt zunächst verlockend. So liefern Google, Amazon, oder Facebook in Abhängigkeit von unseren sonstigen Interessen die für jeden Menschen jeweils relevantesten Suchergebnisse. Sucht ein Australier auf Google "Wien“, so erhält er eher touristische Informationen, googelt ein Wiener "Wien“ erhält er eher Magistratsabteilungen, Institutionen, oder historische Beiträge zur Stadtgeschichte. Das Problem ist, dass auf diese Weise jeder Nutzer in seiner eigenen Blase durchs Internet surft, in sogenannten "Filter Bubbles“. Direkt über die Eingabe von URLs bewegt man sich bereits seit Jahren nur mehr selten. So werden Google und Facebook zu den Pforten ins World Wide Web. Das unendlich große Internet liefert somit zunehmend die selben, oft kommerziellen, Ergebnisse.

Analog und voller Analogien zu Dantes "Göttlicher Komödie“ stellte Meckel in Wien das Internet als gefräßige Bestie vor. "Wir füttern immer mehr ins Internet hinein, aber haben nie das Gefühl alles hineingefüllt und herausgeholt zu haben“, sagt sie und holt das Publikum zielsicher bei seinen ambivalenten Ängsten über das "schwarze Loch“ Internet ab. Sie kann in der Entwicklung der letzten Jahre sogar die verschiedenen "Höllenkreise“ im Internet nachzeichnen. Die Maßlosigkeit, die Bösartigkeit, den Verrat, all das sieht sie dort noch unreflektiert praktiziert. So aktuell die Warnungen scheinen mögen, im Prinzip greift Meckel nur die Diskurse der 90er-Jahre wieder auf. Damals brachten Medienpädagogen ihre Befürchtungen zum Ausdruck, Jugendliche würden in den Alter-Egos ihrer Onlinespiel- und Sexwelten verloren gehen. Heute wirkt diese Sorge im Rückblick wie eine allgemeine naive Furcht vor neuen Technologien. Genau so wurde im 16. Jahrhundert, beim Aufkommen der Zeitungen, vor der "gefährlichen Zeitungssucht“ gewarnt, der die Menschen zunehmend zu verfallen schienen. Denn auch Zeitungen begannen nicht als institutionalisierte Wächter der Demokratie, sie enthielten zunächst Rohstoffpreise und berichteten von Sensationen.

Dementsprechend konstatiert Meckel auch: "Wir drehen nichts mehr zurück und das ist auch gut so. Es gibt keine Standardregeln wie man in den Himmel des digitalen Lebens kommt.“ Denn der grundsätzliche Wandel der öffentlichen Sphäre, den wir zurzeit beobachten, geht viel tiefer, als dass er vor ein paar individuellen Alltagsproblemen halt machen würde. Welchen Weg skizziert Meckel also?

Sie appelliert an "die digitale Dreifaltigkeit: Ich, Ich & Du, Wir“, um der Gefahr der Entfremdung entgegenzuwirken. Ganz pragmatisch kommt sie auch hinsichtlich der Umwälzungen in der Massenkommunikation auf ähnliche Appelle wie in ihrem Burn-out-Buch. Damals rief sie dazu auf, man möge sich selbst zu Offline-Zeiten zwingen, Mails auch einmal nicht beantworten und sich ganz allgemein ein wenig aus der immer mehr einschnürenden Erreichbarkeit per Handy und Mail zurücknehmen. "Machen wir mal langsam, machen wir mal die Augen auf, so schmerzhaft es ist“, appelliert sie demnach auch an unseren Umgang mit dem Internet.

Der Internet-Diskurs läuft - im Internet

Trotzdem unterliegen Meckels Überlegungen einigen grundsätzlichen Denkfehlern. Der Diskurs zu den Problemen, welche die Monopolbildungen im Internet mit sich bringen können, findet schon länger und auch ohne sie statt, und zwar vor allem im Internet. Meckel erweckt jedoch einen anderen Eindruck, indem sie in Interviews den Grund für die fiktive Erzählform ihres Buches NEXT damit angibt, dass der Diskurs im deutschsprachigen Raum noch nicht weit genug entwickelt wäre, um ihn als Fachdiskurs zu führen. Sie hingegen bringe ihre Inspiration zum Thema von ihren Aufenthalten im anglo-amerikanischen Wissenschaftsraum mit.

Ein wenig ehrlicher wäre es vielleicht von ihr, die Darstellungsform damit zu begründen, dass ihre Expertise eher in einem anderen Wissenschaftsfeld liegt. Denn Meckel ist keine Medienpädagogin oder Kommunikationstheoretikerin, sie ist Professorin für das gänzlich andere Feld der Unternehmenskommunikation.

Zumindest geahnt haben wird Meckel, dass dieser Einwand gegen ihren "intellectual turn“ möglich ist. So erstellte sie zuletzt eine Studie zum Thema "Vielfalt im digitalen Medienensemble“ - im Auftrag der ICOMP (Initiative for a Competitive Online Marketplace ). Die ICOMP gilt als Microsoft-nah. So richtig die Empfehlungen der Studie, die Macht der Internetherrscher Google und Facebook aufzuweichen, daher auch sein mögen, so problematisch scheint es, dies im Auftrag des Online-Verlierers Microsoft zu formulieren. Aber Miriam Meckel wäre wohl nicht dort, wo sie heute steht, wenn sie sich allein auf akademische Diskurse verlassen würde und nicht auch auf der ökonomisch-politischen Ebenen aktiv bliebe.

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