Echo Mountain: Über das Leben mit und in der Natur
Lauren Wolks neuestes Buch ist ein klassischer Abenteuerroman in historischem Setting und gleichzeitig ein überzeugender Entwicklungsroman.
Lauren Wolks neuestes Buch ist ein klassischer Abenteuerroman in historischem Setting und gleichzeitig ein überzeugender Entwicklungsroman.
Wie und weshalb die Wirtschaft „krachen“ kann, das versteht die 12-jährige Ellie nicht wirklich, da mag sich ihr Vater noch so sehr mit Erklärungen bemühen. Die Auswirkungen des Börsencrashs von 1929 bekommt das junge Mädchen im Maine der 1930er Jahre aber hautnah zu spüren. Beide Eltern – der Vater ist Schneider, die Mutter unterrichtet Musik an der Schule – verlieren ihre Arbeit, gemeinsam mit den Geschwistern zieht die Familie aus der Stadt aufs Land und in eine selbst errichtete Blockhütte am titelgebenden Echo Mountain.
Während Mutter und Schwester mit dem neuen, harten und entbehrungsreichen Leben schwer zurechtkommen, sieht Ellie das Leben im Wald und der Wildnis bald als Chance und gewinnt neue Zuversicht. Hier darf sie endlich einen Hund halten und kümmert sich rührend um Welpen. Hier genießt sie die Frühlingsluft, will Dinge anpflanzen und wachsen sehen, lernt jagen, fischen und Heilkräuter sammeln. Und hier wird ihr ein größerer Zusammenhang zwischen den Dingen bewusst und wie Mensch, Tier und Natur aufeinander angewiesen sind.
Lauren Wolks neuestes Buch ist zunächst einmal ein klassischer Abenteuerroman in historischem Setting. Einer allerdings, in dem das Leben mit und in der Natur weder romantisiert noch nostalgisch verklärt wird. Dafür weiß die vielfach ausgezeichnete Autorin zu genau über lauernde Gefahren zu erzählen. Sie schildert daraus resultierende Unbill ausführlich und kenntnisreich. Da fällt der Vater nach einem Unfall beim Holz schlagen ins Koma, da liegt eine von den wenigen Nachbarn als Hexe verschriene und gemiedene alte Frau hilflos mit offenem Bruch in ihrer Hütte. Ellie wird die eiternde Wunde mit Honig reinigen, den sie den Wildbienen abtrotzt, wobei sie nicht vergisst, den Bienen genug zu lassen, damit auch diese sicher über den Winter kommen.
So ist „Echo Mountain“ auch ein durch und durch überzeugender Entwicklungsroman, in dem die Heldin tatsächlich ihren eigenen Weg geht. Ellie wandelt sich zu einem äußerst fähigen „Waldmädchen“ mit großem Interesse und intuitivem Gespür für natürliche Heilmittel und alles Medizinische. Mehrfach wird sie in diesem Buch zur Lebensretterin, mehrfach wird ihr eine erstaunliche Begabung attestiert, allerdings stets mit einer kleinen Einschränkung: „Es ist wirklich schade, dass du kein Junge bist, Ellie. Du hast alles, was einen guten Arzt ausmacht.“
Auch darin ist Lauren Wolks Roman historisch genau und aktuell zugleich. Ob Krankenschwester, Ärztin oder etwas anderes – am Ende ist es Ellie egal. Da hat sie bereits viel Verantwortung übernommen, neue Freundschaften geknüpft, mehr als nur ihre Familie geheilt und weiß sie längst, dass es immer und überall andere Möglichkeiten gibt.