Regentag.jp - © Illustration: Jens Rassmus / Peter Hammer

„Regentag“: Meisterwerk als großes Kopfkino

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Buchpreis von FURCHE, Stube und Institut für Jugendliteratur: Eine anregende Lektüre für kleine und große Leser und Leserinnen.

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Buchpreis von FURCHE, Stube und Institut für Jugendliteratur: Eine anregende Lektüre für kleine und große Leser und Leserinnen.

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Draußen prasselt der Regen in Strömen. Zwei Kinder schauen sich das aus dem Fenster eines Mehrparteienhauses an. Szenenwechsel nach innen. Der Bub ist auf dem Boden sitzend in ein Handyspiel vertieft, während die größere Schwester an seinen Rücken gelehnt in die Luft starrt. Doch dann sorgen eine kleine Handbewegung des Mädchens und ein herumliegender Ball dafür, dass der Bruder das Smartphone zur Seite legt.

Die Vorstellungskraft der Kinder bringt im wahrsten Sinne des Wortes einen Stein ins Rollen – nämlich einen steilen Berg hinunter, der schließlich im Wasser landet. Das ist der Einstieg in das neueste, textlose Meisterwerk von Jens Rassmus. Der Kieler Bilderbuchkünstler lässt darin zwei Geschwister bunte Fantasiewelten erschaffen und macht aus einem öden Nachmittag ein lebendiges, abwechslungsreiches Spiel. Kaum sind die beiden von einem Abenteuer im Kopf zurück in der Realität, haben sie auch schon die nächste Idee, die sie prompt in die nächste Illusion hineinzieht.

In diese kindlichen Träumereien werden immer auch einfache Gegenstände aus der Realwelt integriert. So lässt ein Stuhl die Kinder zu Riesen werden, die in einer Hochhauslandschaft Fangen spielen. Ein Eimer verwandelt sich in einen Brunnen, unter dem sich ein verzweigtes Höhlensystem verbirgt. Gerade noch können sie (samt goldenem Ball) dem darin hausenden Froschmonster entkommen. Nur die lange Zunge schmatzt noch aus dem Eimer heraus, bevor es schon weitergeht zu einem Versteckspiel in den Dschungel. Die Übergänge verlaufen fließend, sinnliche Wahrnehmungen werden aus der fantastischen Welt in die Wirklichkeit mitgenommen. Eine gelungene Dramaturgie der Abläufe sorgt für eine angemessene Dynamik, die zwischen den Stationen immer auch die nötigen Verschnaufpausen bietet.

In einem Mix aus ganzseitigen Landschaftsdarstellungen und comicartigen Panels setzt Rassmus den in Schwarz-Weiß gehaltenen Alltagsszenen ein buntes imaginiertes Universum entgegen. Die Körpersprache der Kinder macht klar, wie vertieft die zwei in ihr ausgelassenes Spiel sind. Am Ende hat ein frisches Lüftchen den Regen vertrieben, die beiden Hauptfiguren gehen raus und fahren auf ihren Rädern davon; am Horizont deuten sich zart bereits die nächsten farbenfrohen Abenteuer an – diesmal in der wirklichen Welt?

Eine anregende Lektüre für kleine und große Leser und Leserinnen, spätestens am nächsten grau-verhangenen Regentag den Familienausflug in die eigene Vorstellungskraft zu verlegen.

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