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Wider die Lärmdämonen

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Vom stilleren Leben. Von Eduard Spranger und Romano Guardini. In: „Weltbild und Erziehung“, Band 16. Werkbund-Verlag, Würzburg.

Eduard Sprangers Beitrag in diesem Büchlein heißt: „Wider den Lärm.“ Dieser Meister erzieherischer Seelenkunde bestimmt das Gehör des Menschen als „Warnungsorgan“: bei Lichte und Dunkelheit, nach vorn und nach rückwärts nimmt das stets offene, unverschließbare Ohr die Umwelt wahr — als „stimmendes Organ“: die gehörte Sinnenwelt versetzt den Hörenden in besondere Gemütsstimmungen —, und als „Kontaktorgan“: vor, mit und jenseits der Augen verbindet uns das Gehör mit der Umwelt. Die Lärmdämonen unserer technisierten Welt beginnen diese dreifache Funktion unseres Gehörs zu zerstören: gefahrverkündend, verstimmend und gemeinschafts-störend wirkt der Lärm auf die Aufnahmebereitschaft des Menschen. „Die geistigen Begegnungen, die das Ohr vermitteln sollte, fallen weg, weil es in erster Linie Radau zu verarbeiten hat.“ „Rettet die kostbare Gabe des Gehörsinnes und gebt diesem geistigsten aller Sinne seinen — Sinn wieder!“ — so schließt Spranger seinen warnenden, analysierenden Beitrag.

Ob allerdings ein „Gesetz zur Lärmverhütung und Lärmbekämpfung“ wirklich Abhilfe schaffen könnte.

sei dahingestellt. Weil man dies bezweifeln kann, liest man die Beiträge Romano Guardinis mit noch mehr Aufmerksamkeit. „Askese als Element der menschlichen Existenz“ scheint zunächst nichts mit dem Lärm zu tun haben. Aber Guardinis eindringliche Vorschläge zu einer „kleinen“ Askese geben zeitgerechte Mittel an: Uebung von Bewegung und Ruhe helfen das „Leben“ zu verwirklichen, Uebung von Schweigen und Wort vermögen die „Wahrheit“ wirklich zu machen —, Uebungen, „Askese“, die jeder selbst, sofort und an seinem täglichen Platz wider Unruhe und Lärm zu leisten vermag. Im dritten

Artikel „Wer ist ein Gentleman?“ (Ein Brief.) gibt Guardini dann geradezu als Definition dieser menschlichsten aller Menschenformung an: der Gentleman sei „jener, der keinen Lärm macht“ — Dieses unscheinbare Heft sollte man jedem Menschen in die Hand geben, dem es ernst ist mit sich und seiner Verantwortung für die Zeit. Man sollte den Inhalt dieser Beiträge verkünden, predigen, besprechen und beschwören, damit „vom stilleren Leben“ wieder etwas ins allzu laute unserer Tage komme und geistiges Heil in unsere gestörten Herzen.

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