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Zwei Neuauflagen

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BEL AMI. Roman. Von Guy de Maupaisant. Artemls-Verlay. Zürich und Stuttgart, 1963. 413 seiten. Preis 34.50 DM. - LEVIATHAN. Roman. Von Julien Green. Verlag Jakob Hegner, Köln-Olten, 1963. 364 Selten. Preis 9.80 DM.

Zwei Neuauflagen von Romanen, deren Autoren nicht mehr vorgestellt werden müssen. Maupassant, der große Erzähler, der die Summe aus dem 19. Jahrhundert zieht, und Green, der die Themen des 20. Jahrhunderts anschlägt, zwischen beiden der erste Weltkrieg. Wenn es sich bei beiden auch nicht um ihre stärksten Werke handelt, so ahnt man doch, was sich vom Ende des einen zum Beginn des änderen Jahrhunderts ereignete. Beide verbindet das Thema der Liebe; beim einen ist sie die eines Bel Ami, beim anderen die eines Leviathan. Der Lebensgenuß des Paris der „Reisenden der Oberklasse” (Aragon), durch erotische Affären, Intrigen, politische und finanzielle Spekulationen aufgezüchtet, glanzvolle Karrieren auf fragwürdigem Boden gebaut, das fin de siede mit seiner Leichtlebigkeit und Tragik, seinem Glanz und seinem Elend, charmant wie rücksichtslos von Bel Ami in Szene gesetzt, gezeichnet von einem Meistėr im konzentrierten Gebrauch ästhetischer Mittel.

Die Liebe als Gier eines Leviathan im banalen Kleinstadtmilieu ist Greens Thema. Die Szenerie könnte keineswegs die Benennung nach dem mythischen Ungeheuer rechtfertigen, doch die Beschwörung der Grundsituation des menschlichen Daseins, seines Geworfensein® in eine nicht gedeutete, bodenlose Welt, seine Verfallenheit an ein Leben des Unheils, die alle, ob sie nun Herren oder Knechte, Opfernde oder Opfer, Jäger oder Gejagte sein mögen, zu einem Schicksal schweißt, macht sie alle zur Beute des Leviathan. „Fast jedes Leben ist, vom Bereich des Spirituellen her gesehen, eine Anhäufung von Katastrophen: Aber nur dadurch kann unser Hochmut gebrochen werden.” Diese Tagebuchnotiz Julien Greens mag . das Resümee dieser beiden Gegenüberstellungen sein, doch nur im Vordergrund, im Hintergrund, auf dem auch die Verzweiflung als Hochmut erscheinen kann, wie es spätere Werke Greens antönen, steht der Eros, sowohl in der Gestalt des ausgehenden 19. Jahrhunderts wie in der des beginnenden 20. Jahrhunderts; beide Male jedoch für die tiefer Blickenden als der Sohn, nach dem Mythos von Platos „Symposion”, aus der Not und dem Überfluß (Penia und Poros), Existenznot und leidenschaftlichem Uberschäumen, diesem seinem ungleichen Elternpaar.

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