NICHT VERGANGENE VERGANGENHEIT

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"Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen." William Faulkners vielzitierter Satz trifft auch auf Nechama Silber zu, eine alte Frau, die den Holocaust überlebt hat und sich mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann in Israel ein neues Leben aufgebaut hat. Dazu gehört auch, dass die Ehe des Sohnes mit einer Deutschen für sie nicht akzeptabel ist, beharrlich hat sie sich geweigert, Sohn, Schwiegertochter und die beiden Enkel, die in Deutschland aufwachsen, jemals zu treffen. Auch als der mittlerweile achtzehnjährige Enkel Gil nach Israel kommt, um dort in einem Altersheim Zivildienst zu leisten, verbittet sie sich jeden Besuch. Doch als dann plötzlich ein junger Mann mit einem seltsam vertrauten Lächeln vor der Tür steht, der noch dazu mit der Stimme ihres geliebten Mannes Menachem spricht, ist plötzlich alles anders ...

Dynamik innerhalb der Familie

Avram Kantor erzählt die Geschichte der Familie Silber aus verschiedenen Perspektiven und macht so deutlich, wie sehr Ereignisse aus der Vergangenheit, über die nie gesprochen wurde, das Leben aller auch noch in der dritten Generation prägen. Stimmig wirkt, dass auch die Begegnung zwischen Nechama und Gil nicht dazu führt, Familiengeheimnisse aufzudecken oder erlittenen Schmerz "aufzuarbeiten" - sehr wohl aber eine Dynamik sowohl innerhalb des Familiengefüges als auch bei den einzelnen Personen möglich macht, die vorher undenkbar war. Auch wenn der Roman Längen hat und das Ende etwas dick aufgetragen scheint, zeigt der aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler übersetzte Text eindrucksvoll, wie die nicht vergangene Vergangenheit in die Gegenwart hineinwirkt.

Schalom

Von Avram Kantor Aus dem Hebr. v. Mirjam Pressler

Hanser 2012

240 S., geb., € 16,40

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