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Die Roma-Schriftstellerin Ceija Stojka über dieschrecklichsten Jahre ihres Lebens: in Bergen-Belsen.

Wenn es nicht mehr anders geht, verkriechen sie sich zwischen den Toten. Die Leichenberge bieten Schutz vor Wind und Wetter, man kann sich zwischen ihren offenen Leibern verstecken. Aber essen werden sie sie nicht, obwohl viele andere das tun. Nein das machen wir nicht, sagt die Mutter, da legen wir uns lieber oben drauf.

Ceija Stojka erzählt von einer Kindheit in Bergen-Belsen, von Hunger, Kälte, Angst und Tod. Sie erzählt mit den Worten der Elfjährigen, die sie damals war, für das Kind ist das Unfassbare Alltag geworden - und ein Trauma fürs Leben. "Träume ich, dass ich lebe?" fragt sie sich oft und nennt ihr Buch auch so.

Hunger, Kälte, Angst

1933 in der Steiermark geboren, stammt Ceija Stojka aus einer Familie fahrender Roma. Nach dem "Anschluss" konnte sich die Mutter mit ihren sechs Kindern noch eine Weile in Wien verstecken, der Vater war bereits abgeholt. Die Kinder versteckten sich in den Laubhaufen der Parks und durften nicht mehr lachen. Die Nachbarn warnten sie vor einer Razzia. Aber man hat sie dann trotzdem gefunden, verschleppt und fast ermordet.

In vielen Gesprächen mit Herausgeberin Karin Berger schildert Ceija Stojka nun ihren Überlebenskampf im kz und setzt damit nicht zuletzt ihrer Mutter ein Denkmal, die ihre Lieben mit Blättern, Grashalmen und Stofffetzen ernährte und mitten im Grauen ihre Menschlichkeit und Würde bewahrte. Und selbst ihren Peinigern gegenüber milde blieb. Auch Nazis sind Menschen, lehrte sie ihre Kinder mitten im kz.

Ceija Stojka lebte nach dem Krieg bis zu ihrer Pensionierung als Marktfahrerin in Wien und Umgebung. Sie schreibt in Romanes und Deutsch, tief in der Erzählkunst der Roma verwurzelt, vor allem Gedichte, Lieder und autobiografische Texte wie "Wir leben im Verborgenen" und "Reisende auf dieser Welt". In "Träume ich, dass ich lebe?" setzt sie sich mit den schrecklichsten Jahren ihres Lebens auseinander: "Die wahre Wahrheit, die Angst und das Elend, und was sie wirklich mit uns gemacht haben, kann ich nicht erzählen." Aber was sie tatsächlich erzählt, ist unvergesslich.

Sabine E. Dengscherz

TRÄUME ICH, DASS ICH LEBE?

Befreit aus Bergen-Belsen

Von Ceija Stojka, hg. von Karin Berger

Picus Verlag, Wien 2005

120 Seiten, geb., e 14,90

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