Asche Rauch Urnen entronnen

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Ceija Stojka - Erzählerin, Sängerin, Malerin, Gedichte-Schreiberin - und Galionsfigur der österreichischen Roma. Die Ausstellung "ceija stojka. leben!" im Wiener Museum am Judenplatz und ihr jüngstes Buch sind ein eindrückliches Zeugnis dafür.

Der erste Raum ist voller Blumen- und Wiesenbilder - kräftige Farben, sattes Grün. Daneben ebenfalls mit Blumen bemalte Marmeladegläser - Gebrauchsgegenstände, durch die Farbigkeit etwas Besonderes; "nützliche Kunst" sagt Ceija Stojka dazu. Auf der anderen Seite des Raumes Bilder nur mit schwarzer Farbe. "Die Finsternis in Bergen-Belsen" heißt eines davon. Auf einem anderen steht ein Text gemalt:

DAMALS - 1945

ICH WAR

DAMALS

MITTEN

UNDER INEN

BESCHÜTZT

VON MEINER

MAMA.

VON AUSSEN KAM

KEINNE HILLFE,

WARUM?

Im Museum am Wiener Judenplatz, wo das Mahnmal an die Schoa steht und die Überreste der zerstörten mittelalterliche Synagoge zu besichtigen sind, stellt eine Nichtjüdin aus: Ceija Stojka, Jahrgang 1933, Romni aus der Gruppe der Lovara (siehe Kasten links), hat Auschwitz-Birkenau, Ravensbrück und Bergen-Belsen, wo sie 1945 von den Briten befreit wurde, überlebt: "ceija stojka. leben!" - schon der Titel der Schau drückt aus, was zu sagen ist.

Ich / Ceija / sage / Auschwitz lebt / und atmet / noch heute in mir / ich spüre noch heute / das Leid / Jeder Grashalm jede Blume dort / ist die Seele eines Toten ...

So beginnt ein Gedicht Stojkas in ihrem letzten, im kleinen Verlag eye herausgebrachten Buch mit Gedichten, teilweise in ihre Sprache Romanes übersetzt, und mit Bildern - auch hier finden sich Blumen ebenso gemalte Erinnerungen an die schwarze Zeit.

Zu Hakenkreuzen verbogen

Hitler auf rotem Hintergrund, im Stechschritt, der rechte Arm pfeilgerade weggestreckt. Auf dem Nebenbild in der Ausstellung am Judenplatz zwei Menschen, ihre Körper zu Hakenkreuzen verbogen. Dann wieder ein Tableau aus sechs mal sechs quadratischen Tafeln: Landschaften, Blumen, helle wie düstere Stimmung - und: gelbbraune Bilder über Bergen-Belsen.

Ende der achtziger Jahre ist Ceija Stojka in die Öffentlichkeit getreten: In einem Buch erzählt sie ihre Geschichte, und sie beginnt die Lieder der Rom-Lovara zu präsentieren. Dann fängt sie - als Autodidaktin - an, zu malen, Gedichte zu schreiben. Und ist heute, 71-jährig, eine Galionsfigur der Rom-Bewegung in Österreich.

Und was für eine Botschafterin ihres Volkes: Ja, auch das unvergessene Grauen - von den über 200 Personen der Großfamilie haben nur Ceija, die Mutter und vier Geschwister überlebt - ist in den Bildern festgehalten, der Schmerz der Erinnerung bricht darin immer wieder aus. Dennoch ist jenes Gemälde "Meine Familie" (vgl. Seite 21 des Dossiers) vielleicht das wichtigere Exponat der Schau am Judenplatz - die facetten- und detailreich gemalte Schilderung einer Zusammenkunft im trauten Kreis, der für das Selbstverständnis der Roma so wichtig ist. Und daneben wieder eine grüne Wiese, davor ein Mädchen, das die Züge der Ceija trägt. - Noch ein Gedicht aus dem jüngsten Band:

Die reine Schönheit auf Erden // ein Kind / Ein Bergkristall / Eine Blume / Der Baum / Das ewige Wasser // Das Schlimme auf Erden / der Mensch / der da alles vernichtet

Die Leidensgeschichte der österreichischen Roma im 20. Jahrhundert spricht für sich: Im Jänner 1933 schlägt die burgenländische Landesregierung die Deportation der "Zigeuner" auf eine Pazifikinsel vor. 1936 richtet der Ständestaat eine "Zentralstelle zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens" ein. Die illegale nsdap gibt die Parole "Das Burgenland zigeunerfrei!" aus. Nach dem "Anschluss" wird den Roma-Kindern der Schulbesuch untersagt, im burgenländischen Lackenbach richten die NS-Behörden 1940 das "Zigeunerfamilien Anhalte- und Zwangsarbeitslager" ein - eine Durchgangsstation in die Vernichtungslager. Ceijas Vater kommt 1941 nach Dachau, 1942 findet er in der Euthanasieanstalt Schloss Hartheim bei der "Tötungsaktion T4" den Tod.

Kaum 10-jährig wird Ceija 1943 mit ihrer Familie nach Auschwitz-Birkenau gebracht, sie kommt durch, weil sie ein Jahr später als "Arbeitsfähige" mit Mutter und Tante nach Ravensbrück transportiert wird und Anfang 1945 weiter nach Bergen-Belsen. Von 11.000 österreichischen Roma überleben nur 2000 die Vernichtung. Aber in Österreich, wo Ceija als Marktfahrerin Teppiche verkauft, sind die Roma noch lange nicht am Ende des Leidenswegs angelangt: Im September 1948 gibt Innenminister Oskar Helmer einen "Erlass gegen das Zigeunerunwesen" heraus, der die Abschiebung von staatenlosen Roma anordnet. Erst 1961 erhalten die Roma eine Entschädigung für die ns-Zeit zugesprochen, als Volksgruppe werden sie erst am 24. Dezember 1993 anerkannt.

Pralles Leben - gebrochen

Da ist Ceija Stojka schon längst als Sängerin und Malerin unterwegs - und erlangt in mehreren Ausstellungen auch internationale Anerkennung. Mit ihrem ersten Buch "Wir leben im Verborgenen - Erinnerungen einer Rom-Zigeunerin" (1988) macht sie das Schicksal ihres Volkes in den kzs und Vernichtungslagern bekannt. 1992 folgen mit "Reisende auf dieser Welt" ihre weiteren Erlebnisse im Nachkriegsösterreich.

Das kz: "Es gelang mir nie, das zu vergessen. Nie", so Ceija in einer Filmcollage, die ebenfalls in der Ausstellung am Judenplatz gezeigt wird. Das pralle Leben der Roma ist in den Bildern da und wird gleichzeitig gebrochen in der gemalten Erinnerung. Dem Atem der Vernichtung setzt Ceija Stojka in ihren Bildern und Texten ein Mahnmal, auch mit dem zitierten Auschwitz-Gedicht in ihrem jüngsten Buch:

... Auschwitz und seine / gleich schlimmen Geschwister / wo sie auch alle sind und waren / Sie brachten mit ihren / menschenvernichtenden Gasfabriken / Asche Rauch Urnen / Brennen Asche / Asche in der Urne / Wer ist wirklich in der Dose / Ist es mein Vater

ceija stojka. leben!

Museum Judenplatz - Misrachi Haus.

1010 Wien, Judenplatz 8. www.jwm.at

Bis 6. März.

MEINE WAHL ZU SCHREIBEN - ICH KANN ES NICHT

O fallo de de isgiri - me tschischanaf les

Gedichte (Romanes, deutsch) und Bilder

Von Ceija Stojka. Verlag EYE - Lyrik der Wenigerheiten, Landeck 2003. ISBN 3-901735-12-7. 78 Seiten, kt., e 19,-, zu beziehen im Internet unter: www.brg-landeck.tsn.at/~eye/

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