Reisende Auf Dieser Welt

Werbung
Werbung
Werbung

Für ihre Literatur brauchten Roma keine Bücher: Sie erzählten einander, auch Tradition und Gesetz, durch die Lieder. "Wir hatten nur die Überlieferung durch die Musik, und unsere Musik ist durch die ganze Welt gegangen", erklärte die 1933 geborene Künstlerin Ceija Stojka in einem Gespräch mit der Filmregisseurin Karin Berger. Die Musik ging um die Welt, doch Roma und Sinti schienen in ihrer eigenen Welt gefangen, das Interesse an ihnen war enden wollend, auch nachdem sie 1945 aus den KZs befreit worden waren.

Umso wichtiger war es, dass Ceija Stojka 1988 ihr Buch "Wir leben im Verborgenen" veröffentlichte. Darin beschrieb sie ihre dunkelsten Erinnerungen: ihre Kindheit in den Konzentrations-und Vernichtungslagern Auschwitz-Birkenau, Ravensbrück und Bergen-Belsen.

Wer sie persönlich kennenlernen durfte, weiß, dass Ceija Stojka eine begnadete Erzählerin war, auch wenn es um die Beschreibung der Lebensfreude der Roma ging: "Wenn er seinen Job gemacht hat, zahlt er seine Steuern, seine Abgaben wie jeder andere auch, nur macht er sich das Leben ein bisschen leichter. Er sieht, ha, es ist Nachmittag, vier Uhr, was könnten wir machen? Rufen wir bei denen an, die sollen kommen, und dann wird gesungen und getanzt, da wird gekocht und geplauscht." Stojka war aber vor allem wichtig, der jungen Generation ihre Geschichte zu erzählen: auf dass man nicht vergesse, auf dass Auschwitz nie wiederkomme.

Sie selbst konnte ohnehin nicht vergessen: "Ich träum immer davon. Vom Stacheldraht, vom Gestöhne und vom Schreien der Menschen. Albträume. [] Jeder Tag dort drinnen war ein Jahr, jede Stunde war eine Ewigkeit. Oft haben wir uns gefragt, wo sind die Menschen rundherum? Gibt es Österreich nicht mehr? Sind nur mehr wir da und das andere existiert nicht mehr?"

Geburtstagsband als Vermächtnis

In "Reisende auf dieser Welt"(1992) erzählte Ceija Stojka ihr Leben nach 1945, und darin findet sich auch die Gesellschaft porträtiert. Der Picus-Verlag plante anlässlich Stojkas 80. Geburtstages im Mai 2013 die Herausgabe beider Bücher in einem Band, zusammen mit Gesprächen, die Karin Berger mit ihr führte. Am 28. Januar ist Ceija Stojka aber gestorben. "Wir leben im Verborgenen" wird am 27. Februar erscheinen, es beginnt mit Stojkas Gedicht "auschwitz ist mein mantel":"du hast angst vor der finsternis? / ich sage dir: wo der weg menschenleer ist, / brauchst du dich nicht zu fürchten. // ich habe keine angst. / meine angst ist in auschwitz geblieben /und in den lagern. // auschwitz ist mein mantel, / bergen-belsen mein kleid /und ravensbrück mein unterhemd. // wovor soll ich mich fürchten?"

Das nächste

BOOKLET erscheint am

7. März 2013 als Beilage in der FURCHE Nr. 10/13

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung