Vergewissern Sie sich!

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Bernhard Schlink schreibt über konvergente Bereiche des Lebens und der Literatur.

Das multiple Talent Bernhard Schlink ist schon wegen seiner Vielseitigkeit ein besonders interessanter Schriftsteller. Der einundsechzigjährige Deutsche mit Berliner und New Yorker Wohnsitz ist angesehener Jurist, nämlich Rechtsprofessor sowie Verfassungsrichter, und erfolgreicher Schriftsteller. Ungewöhnlich für die deutschsprachige Gegenwartsliteratur ist Schlinks handfestes und aktionsreiches story telling nach angelsächsischem Muster, das er - auch im neuesten Buch - mit Selbstreflexion verbindet.

Seine Essays sind verständlich, durchsichtig und intelligent, was ebenso über die Schriften zu "Politik, Recht, Schreiben und Glauben" in seinem neuen Band, den "Vergewisserungen", gesagt werden kann. Neben Bereichen, in denen jemand, sei er nun Jurist oder Schriftsteller beziehungsweise beides, sozusagen zu Hause ist, gibt es große Themen, die uns beschäftigen oder sogar betreffen, bei denen wir jedoch nie zu Expertenschaft gelangen, wie Schlink schreibt. Wir können über das Ungefähre hinaus gelangen, wenn uns etwas interessiert und wir bereit sind zu lernen.

Bernhard Schlink meint, dass wir uns "immerhin vergewissern" können. Er selbst stellt deshalb Überlegungen an und vergewissert sich bei Themen, die jenseits der Rechtswissenschaft angesiedelt sind, und zwar, "weil ich's wissen will". Bei seinen Forschungen treibt ihn beispielsweise die Sehnsucht nach Heimat und Gerechtigkeit, wobei er mit der Gewissheit weiter denkt, hier und da an die Grenzen des Rechts zu stoßen. Sein Fragen führt ihn dann tatsächlich weiter, wobei eine der Lösungen in der politischen Verantwortung gefunden werden kann.

In seinen Überlegungen spart er das Verhältnis zwischen Literatur einerseits sowie Recht, Glaube und Kirche anderseits nicht aus. Buchstäblich sichtbar wird der komplexe Weitblick des Verfassungsjuristen, der ohne Mit- und Weiterdenken nicht existieren kann, obwohl er eingesteht, dass seine Wissenschaft Unzulänglichkeiten aufweist.

Bernhard Schlink gibt in den "Vergewisserungen" aufschlussreich "Auskunft zur Aufgabe des Schriftstellers und der Literatur" und stellt sich die Frage, ob Schriftsteller politisches Engagement schulden. Schlink hat keine Scheu vor sensiblen Themen und fragt, wie viel Multikulturalität eine moderne Gesellschaft verträgt. Seine Auskünfte sind weder soziologisch, philosophisch, theologisch noch literaturwissenschaftlich, sondern einzig und allein, und das ist das Interessante, Literatur, zumal der Autor schreibt, "weil es mich glücklich macht". Seine eigentliche Aufgabe sieht er darin, Geschichten zu erzählen, die für ihn stimmen. Wie gern man darin zustimmt!

Fast alle Beiträge der "Vergewisserungen" sind als akademische und essayistische Vorträge, Tagungsbeiträge, Dankesreden und Laudationes entstanden und kann man konstatieren, dass die Gestaltungen so komplex und verschieden sind wie die Kontexte des Lebens von Bernhard Schlink. Einige der Texte wurden bereits in namhaften Medien veröffentlicht, beispielsweise in Suhrkamp-Bänden, im Spiegel, der Neuen Zürcher Zeitung, der Welt oder der Neuen Juristischen Wochenschrift, was der Lesbarkeit der Aufsätze keinen Abbruch tut.

Mit großem Nachdruck seien die Leser und Leserinnen aufgefordert, sich über "Politische Utopien", "Rechtliche Eckpunkte", "Begegnungen beim Schreiben" und "Erfahrungen mit Institutionen" zu vergewissern. Bernhard Schlinks Texte sind keine abstrakten juristischen Erkenntnisse, sondern lebendige Literatur eines präzisen Erzählers.

Letztlich sei - in diesem Sonderfall - noch erwähnt, dass die "Vergewisserungen" ein Buch sind, das in keinen Verlag besser passen könnte als zu Diogenes.

Vergewisserungen

Über Politik, Recht, Schreiben und Glauben

Von Bernhard Schlink

Diogenes Verlag, Zürich 2005

362 Seiten, geb., e 23,60

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