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Auf Marco Polos Spuren

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Marco Polo unterwegs in Persien.

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Marco Polo unterwegs in Persien.

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Wer hätte sich nicht einmal gewünscht, mit Marco Polo zu reisen, umdrängt von den Geheimnissen der östlichen Welt, von denen der berühmte Venezianer im 13. Jahrhundert erste Kunde brachte, als einer, dessen Gestalt, wie ähnlich jene des Christoph Kolumbus, zum Symbol wurde — vielfach sosehr, daß der Realitätsgehalt des von ihm erarbeiteten Stoffes den Nachfahren zu verschwinden begann und mythische Züge annahm. Alfons Gabriel bereiste Jahre hindurch jene Teile Persiens, die Marco Polo auf seinem Weg zum Chublai-Khan berührte, jenem Enkel Temudschins, des Dschingis-Khan, der China zur Gänze eroberte, in Peking seine Residenz einrichtete und Gelehrte von weit und breit als Wahrheitssucher an sich zog.

Worum es Gabriel ging, war, die Authentizität der Beschreibungen Polos in diesem Teilbereich zu überprüfen und zu erhärten — eine Aufgabe, die auf unerhörte Weise gelungen ist. In hunderten, ja tausen- den Details stimmt, was er nun, nach mehr als einem halben Jahrtausend, mit eigenen Augen wahrnahm, sofern es erhalten blieb, vollkommen mit den alten Berichten überein; anderes konnte durch überkommene Geschichten oder durch örtliche Literatur- und Baudenkmäler, beziehungsweise deren Überreste oder Spuren mit Polos Aufzeichnungen in Einklang gebracht werden. Daß dann und wann ein Irrtum des Venezianers, nicht in der Aufnahme der Fakten, wohl aber in deren Deutung, erkannt wird, erhöht nur noch den Reiz und die Faszination des Werkes als eines echten Abenteuers im Geist.

Ob Gabriel die von Polo geschilderten schnellen und starken Esel wiederfindet oder charakteristische Baschakirder Bienenkorbhütten im Djaghin-Tal und schwarze Ziegenhaarzelte südlich von Kirman, ob er selbst nach Marco Polo der erste Europäer ist, der wieder die Baha- bad-Wüste quert, wo er, wie dieser, bitteres Wasser findet, ob er im Tunocain Lehmdörfer antrifft, infolge Holzmangels ausschließlich mit Kuppelbauten, die schon Polo beschrieb, oder findet, daß die Wasserträgerinnen von Hormuz heute noch die gleichen starren Gesichtsmasken tragen wie bereits vor Christi Geburt — immer erleben wir erregend den Hauch der fremden Welt und die Spannung der Neuentdeckung. Insgesamt ein Werk, das für den interessierten Laien ebenso bestimmt ist wie für den Geographen, Kulturhistoriker und Ethnologen, ausgestattet mit reichem Bild- und Kartenmaterial, sozusagen fünf Minuten vor zwölf, bevor der Einbruch der westlichen Zivilisation viele der wichtigsten Spuren der Vergangenheit für immer auslöscht.

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