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Chronik eines Lebens

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Von Siegfried Trebitsch. Artemis-Verlag, Zürich - Stuttgart - Wien. 496 Seiten

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Von Siegfried Trebitsch. Artemis-Verlag, Zürich - Stuttgart - Wien. 496 Seiten

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Nur noch die ältere Generation wird eich an den Dichter Siegfried Trebitsch erinnern, der zwischen 1902 („Genesung“) und 1949 („Die Heimkehr des Diomedes“) etwa zwei Duzend Werke schrieb, darunter sehr erfolgreiche Dramen, Novellen und Romane, die übrigens zum größten Teil seinerzeit im S.-Fischer-Verlag in Berlin erschienen sind. Seit dem Welterfolg der „Heiligen Johanna“ gilt Trebitsch — zu seinem großen Schmerz — nur noch als der Bernhard-Shaw-Übersetzer: berühmt, bekannt, verdienstvoll und sicher auch gut verdienend. Aber sein eigene« schriftstellerische« Werk wurde durch seine Übersetzertätigkeit und «einen unermüdlichen

Einsatz für den von ihm vorbehaltlos bewunderten Iren verdunkelt.

So ist es kein Wunder, daß in den umfangreichen, in liebenswürdigem Plauderton vorgetragenen Erinnerungen viel von diesen zentralen Anliegen Trebitsdis die Rede ist: von Bernhard Shaw und der Geschichte seines Ruhms in Deutschland — und von Trebitsch« eigenen Werken. „Ein Roman von mir war von da an der Roman des ,Shaw-Übersetzers'. Einen Band Gedichte hatte der ,Shaw-Übersetzer' herausgebracht, und ich sah mich buchstäblich in eine Enge getrieben, aus der ich mich nur sehr schwer befreien konnte. Alles, was ich bis dahin nächt gerade erfolglos veröffentlicht hatte, brannte leise nieder. Es wurde nicht mehr danach gefragt, sondern nur nach den kommenden Werken Shaws…“ Die« war die Lebenstragödie Trebitschs. Aber sonst war sefn Leben reich gesegnet: mit Freundschaften vor allem, mit Interessanter Arbeit, mit abwechslungsvoller, angeregtester Tätigkeit — und mit Erfolg. Wäre nicht die Sorge um das eigene Werk gewesen, so könnte man Trebitsch geradezu als Musterbeispiel für einen Wegbereiter und Künder, einen Dienenden im schönsten Sinne des Wortes betrachten — und auch bewundern, vielleicht beneiden…

Die Zahl seiner berühmten Freunde geht in die Dutzende. Neben Shaw stehen Courtėline und Catulle Mendä« in der vordersten Reihe. Der Kreis, in dem sich Trebitsch vorwiegend bewegte, war der des liberalen Wiener Bürgertums, daß um die Jahrhundertwende besonders nach Paris tendierte. So tauchen in Trebitschs Erinnerungen — zuweilen al« Schattenrisse, oft auch breiter ausgeführt — fast alle Gestalten des Wiener literarischen Lebens zwischen 1900 und 1938 auf. Wer diese Zeit liebt oder sich mit ihr beschäftigt, wird mit dem Buch von Trebitsch gute Unterhalt- tung haben und auch manche neue Detail« über persönliche Verhältnisse, Beziehungen aller Art, Querverbindungen und literarische Querelen erfahren. — Dies Erinnerungsbuch fesselt also vor allem durch den reichhaltigen, freimütig ausgebreiteten Lebensstoff, um dessen prägnante sprachliche Formung der Autor freilich wenig bemüht war. Das allzu persönliche, in seinem Grundgedanken fragwürdige „Vermächtnis“ wäre besser weggeblieben.

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