6657541-1959_38_02.jpg
Digital In Arbeit

DER LANDSERKOMPLEX

Werbung
Werbung
Werbung

Manche kommen von ihren Kindheitserlebnissen nicht los und sind insoweit immer etwas befangen. Ebenso gibt es den Landserkomplex, den Menschen zu verdauen haben, die einmal Soldat gewesen. Vorsorglich muß man nun zwischen dem ehemaligen Soldaten und dem „Landser“ unterscheiden. Das Erlebnis der Kameradschaft war für viele ein echtes Erlebnis, das niemand abgewertet wissen will.

Völlig anders liegen die Dinge, wenn eine echte oder eine eingebildete Kriegserinnerung als Rechtfertigung für Verteidigung von Brutalität und für dife grundsätzliche Glorifizierung eines Verhaltens verwendet wird, das der unmenschliche Zwang militärischen Befehls in einzelnen Situationen zu zeigen gebot.

In der Deutschen Bundesrepublik erscheint jetzt eine Heftserie — sie wird auch in Oesterreich vertrieben -, die sich „DER LANDSER" nennt. Wie „Der Landser“ in der Phantasie der Hefteschreiber sich sein Kriegserlebnis reproduziert, davon eine Kostprobe:

„Jetzt schoß das Biest mit MG auf UMS. Neben mir der Mann sackte zusammen und blieb lautlos liegen. Hinter einer Mauer werfen wir uns hin. Die Lungen keuchen. Da kamen drei Kandis über die Straße gerannt, ich zog die MPi. und sie lagen um.“

So ist der Gegner also vorweg „Biest“, eine Bestie gegenüber den artvollendeten, vorweg edelmenschlichen, „Kriegserlebnisse“ schreibenden MPi.-Besitzer. Der Kamerad, der neben den für das Erlebnisschreiben aufgesparten „Helden“ liegt, ist nur ein „Mann“. Daß es ein Mensch ist, ficht den „Helden“ keineswegs an. Alles um ihn ist nur Kulisse, in deren Bereich er seinen Auftritt vollzieht. Und dann: Was sind schon drei „Kandis“ (Amerikaner)? Nicht mehr als Anlaß, eine MPi „durchzuziehen“, auf daß sie sich zur Vollendung und Abrundung der Szene „umlegen“.

Die „Landser’-Hefte bringen „Tatsachenberichte“, in denen

„ .. .unheimliches Feuer" in den Augen von SS-Unterführern brennt;

... mit „heißem Atem“ Maschinengewehrfeuer über die Felder streichen;

... Fallschirmjäger „verheizt“ werden und

... Seitengewehre „knirschend“ in menschliche Leiber fahren.

Nur waren die Dichter und Sänger dieser Moritaten meist nicht dabei, als es darum ging, an der Front zu praktizieren. Man wußte sich auf sicheren Propagandistenposten weitab von jedem Schuß, konnte sein kostbares Leben sparen aber auch,' um für die Zeit hach däftP W ltk;rieg II„..„Erbauungsschriften!’ , .wieden „Landser" herauszubringen, Pamphlete, die jeder wirkliche Soldat aus innerer Haltung ablehnen muß.

Wir haben in Oesterreich ein Schmutz-und- Schund-Gesetz, das unsere Jugend vor Aufreizung und Verrohung schützen soll. Wohlan, man wende es an. Auch wenn der Schund sich zur Abwechslung als „Landser“ tarnt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung