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Landser hinaus!

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Wild rattert die Waffe los, und der Oberfeldwebel denkt gar nicht daran, nur kurze Feuerstöße zu geben, wie er eigentlich wollte. In einem wilden Rausch fetzt er den ganzen Gurt durch.

Die vordersten stolpern im Halbdunkel über zuckende Leiber. Der MG-Schütze zieht durch und siebt den ganzen Schuppen ab.

Grellrote Flammen zischen aus den Luken, und zwei Russen wälzen sich brennend auf dem Boden.

Wüste Schreie zittern durch die Gegend.

UND DAS JEDE WOCHE, DENN jede Woche erscheint ein neues Landser-Heft, Groß- und Sammelbände nicht gerechnet. In fast jedem Heft kann man Schilderungen wie die oben wiedergegebenen lesen. Bei jedem Zeitungshändler kann man das Zeug kaufen. Und es wird gekauft. Die Landser haben ihrem Verleger, Erich Fabel, ein eigenes Verlagsgebäude nebst Druckerei finanziert. Jeder Zeitungskiosk ist ein Brückenkopf für sie, und sie halten die Stellung. Reichspropagandaminister Goebbels hätte seine Freude an hinen.

Pabel-Landser sind hart:

Hagen Tolle sah, wie der Russe vor ihm sich wieder regte. Wenig später regte er sich nicht mehr ... Er rammte ein neues Magazin in die Waffe.

Pabel-Landser haben Humor: „Wenn der Iwan merkt..., daß ihr trüben Tassen hier in Stellung liegt...“ — „Was dann?“ — „Euch läßt er doch links liegen — der kämpft doch nicht gegen solche Flaschen!“

Pabel-Landser sind großmütig zu russischen Gefangenen:

Sie bedankten sich mit tiefen Verbeugungen, bekreuzigten sich und trotteten davon. Für sie war der Krieg aus.

Pabel-Landser fühlen sich am wohlsten, wo es kracht:

Er schmiß den ganzen Schreibkram in einen Winkel und stapfte wutschnaubend nach vorn zu seinen Männern. Hier wurde ihm wohler zumute. Hier wurde der Mensch mit anderen Maßen gemessen.

Manchmal könnte man die Pabel-Landser für soldatenspielende Buben halten:

„Handgranaten haben wir ja“ konstatiert Vogel. — „Machen wir's ihnen halt ein bissei warm“, meint Reingruber leise. — Mit heißen Gesichtern liegen die sieben, Landser um ihren Zugführer und lauschen seinen leise gesprochenen Worten.

Manchmal denken sie sogar nach:

„Du denkst doch nicht im Ernst daran, daß es hier einen Krieg geben wird? Zuerst muß das mit England erledigt werden. Schließlich haben wir ein Bündnis mit Rußland. Ich glaube viel eher, daß wir dem Russen gegenüber nur ein bissei mit dem Säbel rasseln müssen. Klappern gehört zum Handwerk. Auch unter Verbündeten.“

Manchmal unterlaufen ihnen dabei originelle Fehlleistungen:

„Hm!“ brummte Oberst Lohmann. „Ich verstehe zwar nicht viel von Propaganda, aber nichts ist so unsinnig, daß es am Ende doch noch geglaubt wird...“

Wenn ein junger Kamerad gefallen ist, können die Pabel-Landser sogar noch weinen:

Dann streicht Wangemann mit dem Unterarm über die feuchten Augen, und geht weg. Er knirscht mit den Zähnen und flucht: „Elender Krieg, verdammter!“

Aber sonst sind sie nur hart, hart, hart:

Er griff mit beiden Fäusten zu. Seine Hände umspannten die Fußgelenke des Mannes. Ein Ruck ließ den Gegner hart auf das Gesicht stürzen. Mit einem Satz war Tolle über ihm. Er schlug zu. Einmal, zweimal. Dann entriß er dem Gegner die russische MP, und ein langer Feuerstoß strich in Hüfthöhe durch den Bunker.

Woher sie den bloß die Kraft nehmen? Wahrscheinlich aus ihrem unerschütterlichen Glauben an den Endsieg:

„Woher nimmst du nur deinen Glauben?“ stammelt Pietz erschüttert. „Ich glaube an den Sinn von Modimayers und Oberstleutnant Frerichs Tod. An Schwedthelm und Pflugbeil und alle, die ihr Leben für uns gegeben haben. Ich glaube an meine Kameraden, Pietz, und ich bin noch nicht enttäuscht worden.“

Selbstverständlich wurde er auch diesmal nicht enttäuscht, die Rettung kam, die „AA“ griff ein, und ...

In der glasigen Sonne des Jännermittags leuchtete das Ritterkreuz am Halsabschnitt des Oberstleutnants auf.

MÜSSEN LANDSER — SOLDATEN IN Kolportageheften — so sein? Geht es nicht auch ohne Brutalität, ohne Haß, ohne Blutrausch, ohne dumme Phrasen? Offenbar geht es wirklich:

Du willst leben. Der andere, den du Gegner nennst, will dich abschießen. Wenn du als brennende Fackel in die Tiefe rauschst, atmet er auf, weil du ihm nicht mehr gefährlich werden kannst.

Ein Sowjetsoldat kann auch so geschildert werden:

Major Borolow hat ihm auf die Schulter geklopft und ihn einen tapferen Soldaten genannt. Der Politruk hat ihm eine Flasche Wodka geschenkt. — Tapferkeit? Die sollten von ihm aus ruhig daran glauben. Gesunde Nerven eines Bauernburschen aus Sarowje — kaltes Blut — eine ruhige Hand — und ein sicheres Auge. Und dann die feuernden Rohre der feindlichen Jagdmaschinen. Wie ein Stromstoß jagt die Angst durch den Körper, weckt den Lebenswillen.

Und ein deutscher Soldat so: Was hat man nicht für Pläne mit achtzehn Jahren. Kriegsabitur, Luftwaffe, Offizier werden, ein berühmter Flieger werden, dessen strahlendes Gesicht über einer hochdekorierten Brust von den Titelseiten der Illustrierten herablächelt. — Er war froh, daß er damals bei der Fliegertauglichkeitsprüfung durchgefallen war.

Auch das Heftchen, dem diese Stellen entnommen wurden, ist keine Dichtung, nicht einmal Literatur, ist schlampig geschrieben, auch hier wird kritischen Fragen aus dem Weg gegangen. Doch hier ist auch der Gegner ein Mensch und auch der Deutsche nur ein Mensch. Ein mit dem Fallschirm über der Polarwildnis abgesprungener deutscher Pilot schlägt sich zusammen mit einem russischen Leidensgefährten zu den sowjetischen (!) Linien durch, weil allein keiner von ihnen die Chance hätte, zu überleben.

Allerdings ist dieses Heft nicht im Verlag des Herrn Erich Pabel erschienen. Unter Pabel-Landsern wäre derartiges nicht möglich.

PABEL-LANDSER SIND NÄMLICH politische Soldaten. Sie besorgen auch heute noch die Geschäfte der Herrn Goebbels. Unverfroren wie dieser und keineswegs geschickter fälschen Panel-Autoren die Geschichte:

Der deutschen Kriegsführung war der Aufmarsch der Roten Armee entlang der deutsch-russischen Demarkationslinie nicht unbekannt geblieben. Der in Voraussicht auf diesen Fall entworfene Plan „Barbarossa“ gewann mehr und mehr an Bedeutung.

Wenn es um Admiral Dönitz geht, werden Landser-Autoren direkt zu Lyrikern:

Er blickt aus dem Fenster. Dämmerung hat eingesetzt. Die herbstlich bunt verfärbten Blätter der Bäume des Bois de Boulogne werden schon von den überall aufleuchtenden Bogenlampen angestrahlt. Flamingofarbenes Abendrot steht unter den goldgesäumten schiefergrauen Wolkenstreifen, die langsam mit dem Abendwind nach Osten wandern. — Er wendet sich seiner Arbeit zu. Nun entsteht die endgültige Fassung des Befehls. Zurückgelehnt nimmt Dönitz das Blatt auf und liest Halblaut den Text, um die Wirkung seiner Worte zu prüfen: „... Rettung widerspricht den primitivsten Forderungen der Kriegsführung nach Vernichtung feindlicher Schiffe und deren Besatzungen ...“ — Der BdU gab das Verbot sehr schweren Herzens.

Natürlich ist der Pabel-Landser nicht nur im Westen und auf hoher See, sondern auch im Osten ein Ritter ohne Furcht und Tadel. Bestialitäten erlaubt sich nur der Feind.Ein Deutscher tötet keine Zivilisten. Von Massenerschießungen haben die Autoren des Hauses Pabel nichts gehört, da ist ihr Name Hase:

Schon will Bertram durchkrümmen, da fällt ihm Harnecker in den Arm. „Idiot! Das sind doch Zivilisten. Bist du denn blind?“ Ein älterer Russe, drei Frauen, eine davon mit einem Kleinkind auf dem Arm, flüchten in wilder Panik aus dem Qualm einer brennenden Hütte mitten auf die Straße. Aber Harneckers Versuch, die Zivilisten zu schonen, scheitert. Hinter einer Hecke setzt mit langsamem Tak-Tak ein russisches Maschinengewehr ein, und die Garbe wirft die Zivilsten zu Boden. „So eine Viecherei!“ tobt Bertram. „Nicht einmal die eigenen Leute schonen sie.“

LANDSER-HEFTE sind also alles andere als unpolitische Lektüre für Leute, die nolens volens den, Krieg mitmachen mußten. Sie sind politisch-militärische Wiederkäüernah-rung für unverbesserliche Krieger. Es ist keineswegs so, daß den Verfassern nur dann und: wann eine politische Entgleisung unterläuft. Die Landser-Hefte haben vielmehr eine gemeinsame Tendenz, die sich wie ein roter Faden durch die Serie zieht. Es entspricht voll und ganz den Parolen aus dem Reichspropagandaministerium, wenn Engländer fallweise als faire Gegner dargestellt, Italiener als unmündige Kinder gezeichnet und die dem Großdeutschen Reich bewundernd zu Füßen liegenden Völker des Nahen Ostens höflich, aber von oben herab behandelt werden, während es der Landser im Osten vorwiegend mit Untermenschen zu tun bekommt.

HIER BILDET ER JA DAS BOLLWERK gegen die rote Flut. Hier schützt er ja das Abendland. Hier kämpft er gegen die Barbarei, für die Kultur und für die Zivilisation. Mitten in Rußland sagt ein deutscher Offizier in einem besinnlichen Augenblick zu einem seiner Untergebenen mit dem Blick zur Front:

Dort vorne, wo Deutschland aufhört ...

Da der Pabel-Landser so genau weiß, wofür er kämpft, tut er es auch mit einer kaum noch zu überbietenden Begeisterung:

Als die Russen eine halbe Stunde später die Turmplattform erreichten, fiel nur noch ein einziger Schuß, mit dem der letzte schwerverwundete Verteidiger seinem Leben ein Ende setzte.

Doch dann krallte sich seine Fäuste um den Stahl der Waffe.

In diesen Sekunden kenne sie keine Angst mehr, sie sehen nur noch ihren blutüberströmten Gruppenführer vor sich und rasen im Nahkampf auf die Sowjets zu, die diesem wutentbrannten Ansturm nicht standhalten können.

Wenn sie fallen, dann fallen sie als ganze Männer für Führer, Volk und Vaterland:

Viele Verwundete erfroren auf dem Transport. Sie wurden dann einfach auf die Leichenhaufen gelegt. Ihnen selbst machte das nichts mehr aus; aber vorn fehlten sie.

IN DIESEM GEIST WILL DER VERLEGER Erich Pabel auch die Jugend erziehen, denn er wendet sich keineswegs nur an die Landser von gestern. Unter dem Motto „Landser schreiben für Landser“ heißt es in einem der Hefte:

Weiterhin können Sie mit der persönlichen Schilderung besonders markanter Kriegserlebnisse auch an der Verwirklichung des Zieles mithelfen, das wir immer verfolgen werden: der Jugend zu zeigen, wie der Krieg wirklich war, mit all seinen Opfern und übermenschlichen Strapazen...

Wie der Krieg wirklich war? Nein. Wie die unbelehrbaren Fanatiker ihn sehen wollen. Goebbels hätte es wirklich nicht besser machen können, Goebbels hätte seine Freude. Pabel-Landser schießen mit Papier. Von ihren Bunkern, den Zeitungsständen aus. feuern sie auf die Jugend von heute. Nur unter dem Motto „Kanonenfutter für morgen“ ist ihr publizistischer Krieg zu verstehen.

Natürlich baut man ihnen da und dort ein kleines Alibi in den Text ein:

„Hitler kommt!“ ging es von Mund zu Mund. „Darauf kann ich verzichten...“

Solcher Majestätsbeleidigung folgt allerdings noch im gleichen Heft ein Pflästerchen für Ostlandreiter:

Am Nordufer des Sees tauchte die Silhouette der alten Hansestadt Nowgorod auf, gekrönt von der Kathedrale mit den Zwiebeltürmen.

Honny soit qui mal y pense.

Verzweiflung schillerte in seinem Blick. „Der Sinn, Richard, der Sinn! Kannst du mir sagen, was es für einen Sinn haben soll..'.“

EINE ANTWORT WIRD NICHT

gegeben, sie vertrüge sich nicht mit dem Weltbild des Landser-Lesers. Landser-Leser sind Phrasen gewöhnt:

Aber die erbarmungslose Zeit hatte sie allesamt zu Kriegern gemacht: hart im Nehmen, noch härter im Geben; auf alles gefaßt, allem eiskalt entgegensehend, ohne jede Illusion, voller Sarkasmus.

Landser-Leser wollen lachen, nicht fragen:

„Ja, sakra, ham mir denn gar ka Ari da?“ — „Reg dich net auf, Hansi..., das schadet deinen Nerven.“

In ihrer Erinnerung ist der Krieg

verklärt:

„Da gurken wir hier herum und kein Iwan läßt sich sehen...“

Landser-Leser lieben Helden, mit denen man sich identifizieren kann:

Bruhnke spuckte dicht vor seine Pelzstiefel. Er hatte beide Hände in den Taschen. Jerger betrachtete sein Gesicht. Und wieder einmal mußte er daran denken, was für ein einmaliger Bursche dieser Leutnant doch war.

Gestorben wird in diesen Heften wie im Kintopp:

Gebetsfetzen klingen dazwischen, heisere Schreie nach einem Sanitäter, nach der Mutter, Schreie dazwischen, die zu Gott rufen, und solche, die ihn verfluchen.

Letzteres ist erlaubt, nur den Führer zu verfluchen wäre für einen sterbenden Pabel-Landser ein arger Fauxpas.

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