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Ivan Klimas Wende-Roman

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Der Titel des Romans „Warten auf Dunkelheit/Warten auf Licht” des 1931 geborenen Pragers Ivan Klima kündigt an, was dann auch die Diktion bestätigt. Ein Teil der Menschen, Machthaber und Helfershelfer, bemüht sich, die herrschenden Lebensverhältnisse zu verdunkeln; die ängstlich gewordene Mehrheit erhofft ideologische und rechtliche Aufhellung. Entsprechend helldunkel erweist sich bei manchen Passagen der an Kafka gemahnende Stil des Autors. Er publizierte früh, unterrichtete mehrere Jahre in den USA, kehrte zurück, hatte aber seit dem 1968 Berufsverbot, weshalb seine Originalausgaben in einem kanadischen Exilverlag erschienen.

Hauptfigur ist der Filmemaeher Pavel Fuks, der beim staatlichen Fernsehen arbeitet, ein etwas zwielichtiger Charakter. Er ist nicht für das regierende System, wagt jedoch nicht mehr, offen dagegen zu sein, ein gebranntes Kind eben; vor Jahrzehnten riskierte er den Versuch,

über die Grenze zu gehen. Es mißlang, er wurde eingesperrt. Nun macht er TV-Reportagen, die das Erlaubte ein wenig überschreiten, doch solche Fehltritte werden von der Redaktion geschnitten. Insgeheim hat Pavel für die ungewisse Zukunft im Kopf einen Film vorbereitet, der „Warten auf Dunkelheit/Warten auf Licht” heißen soll, er lebt abwartend dahin, meist bei Eva, die geschieden ist, einen halbwüchsigen Sohn hat und deren Ex-Gatte noch immer unauffällig in einem Nebenraum haust. Dienstliches Pech: Knapp vor der Wende wird Pavel beauftragt, für die Bildschirme einen Geburtstagsfilm über den Präsidenten zu produzieren.

Die privaten Umstände sind so unklar wie die öffentlichen. Aber auch der literarische Vortrag der Geschehnisse will sich nicht eindeutig bekennen; Traumtage, Tagträume und wirkliche Träume gehen ineinander über, kommen paradox zur Sprache, mitten im real beschriebenen Geschehen. Schon auf der ersten Seite ist - quasi absurd - der nach-

denkliche Satz zu lesen: „Was war das - die Zukunft?” Im grammatischen Präteritum wird alles Kommende in Frage gestellt. Nach dem Umbruch: Brach Pavels mit dem Fernsehen. Wäre der ehemalige Sträfling und spätere Mitarbeiter sowieso entlassen worden? Hintergedanken beweisen ja vordergründig nichts: Er war zu einer - wenngleich vagen - Stütze des Systems geworden. Pavel macht sich also, wie das ganze Volk, selbständig. Sein geheimes Drehbuch wird trotzdem nicht realisiert, dazu fehlen ihm die Mittel. Daher macht er einträgliche Werbestreifen und dann (weil das noch mehr bringt) Pornos. Auch sie waren während der Diktatur verboten und haben infolgedessen jetzt Konjunktur. Ein bitteres Resümee der Titelhoffnung „Warten auf Licht”.

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