Wiener Denkmäler, belebt

Werbung
Werbung
Werbung

Drei Spaziergänge, die an denkwürdige Orte der Erinnerung in Wien führen, als Buch.

Denkmale haben, so der Schriftsteller Robert Musil, eine Vielzahl von Eigenschaften. Deren auffälligste sei es jedoch, "daß man sie nicht bemerkt".

Natürlich gibt es auch die anderen, jene Denkmale, an denen letztlich keiner vorbeikommt - gerade in Wien. Die Pestsäule am Graben, das Schillerdenkmal, das Mahnmal auf dem Judenplatz. Mit Musil mag man sie als "energische Denkmäler" bezeichnen. Sie prägen die offizielle Kulisse Wiens wie das Burgtheater oder der "Steffl" und als Tourist kann man sich nicht ohne das ebenso offizielle Foto wieder zuhause blicken lassen.

Angenehmer Plauderton

Den "kleinen" Denkmalen, insbesondere jenen, die in ihrer Selbstverständlichkeit schon längst nicht mehr wahrgenommen oder von der Natur gar zugedeckt werden, geht Erich Klein im fünften Band der Reihe "Falters Citywalks" unter dem Titel "Denkwürdiges Wien" nach. In drei Spaziergängen durch das bekannte Wien des ersten Bezirks wie durch die touristisch weniger erschlossenen Außenbezirke führt er in angenehmem und dennoch nicht oberflächlichem Plauderton durch die wechselvolle Geschichte Wiens, in der sich die Geschichte Österreichs spiegelt.

Aha-Erlebnisse

Dabei mag Klein gerade auch dem alteingesessenen Wiener so manches Aha!-Erlebnis bescheren - oder kennen Sie etwa den "corner stone of freedom"? 1948 von den usa der Stadt Wien gewidmet, wird dieser Gedenkstein derzeit am Frankhplatz hinter der Votivkirche von Mülltonnen, Gebüsch und angrenzenden Parkplätzen gleichermaßen verschluckt. Ebenso unbekannt wie geschichtsträchtig: die in die Außenmauer des Stephansdomes geritzte Inschrift "O5" - ein durch den Buchstaben O und die Ziffer 5 für E versteckter Hinweis auf Österreich und ein Symbol des Österreichischen Widerstandes im Dritten Reich.

Der zweite Spaziergang führt in die jüdische Vergangenheit Wiens sowie in die Gegenwart eines bis heute zerbrechlichen Neuanfangs. Ihren Kulminationspunkt findet diese Geschichte in der auf Initiative Kardinal Christoph Schönborns am Haus Judenplatz 6 angebrachten Gedenktafel. Auf ihr gesteht die Katholische Kirche ihr Versagen und ihre Mitschuld an den Judenverfolgungen ein und bittet die Opfer um Vergebung.

Der Anspruch, den dieses nur knapp 130 Seiten zählende Büchlein erhebt, ist freilich gewaltig. So will es dazu beitragen, "die oft nur noch in Ritual und Routine erstarrte Rhetorik des Gedenkens aufzubrechen", wie Klein schreibt.

Lässt man sich jedoch auf dieses Abenteuer abseits der ausgetretenen Wege ein und begibt sich auf die Spurensuche, so gibt man damit tatsächlich jenem Zufall eine Chance, der Erinnerung so spannend machen kann: dem Zufall einer plötzlich in die gewohnten Formen und Floskeln kultureller Gedächtnispflege einbrechenden "anderen Seite" - einer Seite, welche Erinnerung zu einer höchst lebendigen, die Gegenwart immer einholenden und bewegenden Kategorie des Denkens und der eigenen Identität macht.

Ein Tauchgang

Das Denkmal, so schrieb Musil, scheint die beste Art zu sein, Personen wie Ereignisse "gleichsam mit einem Gedenkstein um den Hals ins Meer des Vergessens" zu stürzen. Die "Citywalks" können weder den Gedenkstein um den Hals der Erinnerung lösen noch das Meer des Vergessens austrocknen. Aber sie sind ein erstaunlicher Tauchgang auf den Grund dieses verhängnisvollen Gewässers.

Denkwürdiges Wien

Gehen & Sehen

3 Routen zu Mahnmalen, Gedenkstätten und Orten der Erinnerung der Ersten und Zweiten Republik

Von Erich Klein. Falter Verlag, Wien 2004 128 Seiten m. Abb., kart., e 10,20

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung