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Kirsten Thorups Figuren werden erst angesichts des Todes lebendig.

Das Dasein ist schwer. Und hart. Und ungerecht. Besonders für die Protagonisten in Kirsten Thorups Roman "Bonsai". Es fragt sich, welcher Lebensentwurf grandioser zum Scheitern verurteilt ist: der Stefans, der hinter einer freundschaftlich-unglücklichen Ehe seine homosexuellen Neigungen versteckt, oder der Ninas, die (wie ein Bonsai zurechtgestutzt von allen Seiten) in der Beziehung zu Stefan die große Liebe sucht - und naturgemäß nicht findet.

Die dänische Erfolgsautorin setzt in "Bonsai" auf Sentiment und Melancholie. Eigentlich geht es allen irgendwie schlecht, die ganze Zeit. Und kommunizieren können sie auch nicht miteinander. Und leider auch nicht immer mit dem Leser, über weite Strecken bleibt das Buch farblos und öde. Aber wer sich erfolgreich durch die ersten 200 Seiten gekämpft hat, dem wird im letzten Drittel doch noch klar, was die Landsleute der Autorin dazu bewog, ihr für die dänische Fassung von "Bonsai" im Jahre 2000 den prestigeträchtigen Radio-Romanpreis zu verleihen.

Berührend, tragisch

Jene Seiten, auf denen Nina und ihre Tochter Elin den ehemaligen Geliebten und Vater in den Tod begleiten, sind tatsächlich berührend, tatsächlich tragisch. Stefans Promiskuität - auch mit Männern war er zu keinen längeren Beziehungen imstande - hat sich gerächt. Wir finden den ehemals kaltschnäuzigen und liebesunfähigen Hauptdarsteller (passenderweise arbeitet er fürs Theater) gebrochen wieder. Er leidet an Aids-bedingtem Lungenkrebs, die offizielle Version lautet "Leukämie". Nicht einmal angesichts des Todes kann er seine Eitelkeit vergessen. Wie auch immer, beides ist tödlich, und zwar schmerzlich langsam. Unter diesen Umständen entschließt sich Stefan zum Selbstmord, bei dem ihm Lebensfreundin und Tochter helfen und ihn in seinen letzten Stunden begleiten sollen. Wahrlich ein harter Job. Aber das Unglück bringt die ehemals beinahe Liebenden einander näher, bis Nina überzeugt ist: "Endlich, nach 28 Jahren, gehört er mir. Ich teile ihn nicht mehr mit anderen Männern oder Frauen. Es sind nur noch zwei Menschen auf der Welt. Er und ich."

Kirsten Thorup ist eine gute Beobachterin und hat ein ebenso feines Gespür für zwischenmenschliche Beziehungen, Missverständnisse und den Alltag des Nebeneinanders statt Miteinanders. Nur leider haftet dem Buch von Anfang an eine unterschwellige Dramatisierung an, die eigentlich erst am Ende passt, als Stefan dem Tod ins Auge blickt. Aber für ihre Figuren ist das Leben auch dann schon schrecklich schwer, wenn sie eigentlich noch keine besonderen Probleme haben. Und das nervt ein wenig. Der eigentlich interessante Aufbau des Romans, nämlich die Geschichte - die sich aber anfangs so sehr sträubt, eine Geschichte zu werden - aus verschiedenen Blickwinkeln zu erzählen, wirkt zunächst künstlich, bis wir überhaupt wissen, wer wem was erzählt. Und Nina eine längere Passage lang in völliger Offenheit, beinahe tagebuchmäßig ihre Eltern ansprechen zu lassen, zu denen sie stets ein distanziertes Un-Verhältnis hatte, wirkt auch retrospektiv noch unglaubwürdig.

BONSAI

Roman von Kirsten Thorup

Aus d. Dän. v. Angelika Gundlach

Insel Verlag, Frankfurt 2005

317 Seiten, geb., e 23,60

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