1.500 Meilen heimwärts

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In seinem Meisterwerk "Long Walk Home" erinnert Phillip Noyce anhand einer wahren Geschichte an die Brutalität, mit der die australische Rassenpolitik Aborigines zu Weißen machen wollte.

Long Walk Home" ist nicht erfunden. Der Film erzählt eine wahre Geschichte, die vom ersten Moment an in den Bann zieht und blankes Entsetzen auslöst. Unerbittlich prallen in Phillip Noyces Meisterwerk die Kulturen aufeinander. In großartigen Naturpanoramen von Wüste und Busch (Kamera: Christopher Doyle) leben die Aborigines mit ihren Riten. Kolonialisierung, Barackenarchitektur, Geleise zerstören jedoch die friedliche Koexistenz der australischen Ureinwohner mit der Natur. Brutalität, rationelles Kalkül und Bürokratie der Weißen schlagen tiefe, bis heute klaffende Wunden ins Schicksal der Aborigines. Der überlegenen Technologie stehen sie ohnmächtig gegenüber. Die Unvereinbarkeit dieser beiden Lebenswelten durchzieht den Film spürbar in Bild, Ton und Farbe.

Mischlingsmädchen Molly Craig (Everlyn Sampi) glückt mit Schwester Daisy (Tianna Sansbury) und Cousine Gracie (Laura Monaghan) die haarsträubende Flucht aus dem Umerziehungscamp. Neun Wochen führt sie die Kleinen zu Fuß 1.500 Meilen durch die sengende Wüste heimwärts. Einzige Orientierungshilfe ist ein Zaun, der "Rabbit-Proof-Fence", der den ganzen Kontinent quert. Molly schöpft aus dem vollen Wissen ihrer Vorfahren, leitet den auf sie angesetzten Spurensucher Moodoo (David Gulpilil) in die Irre, brät den Schwanz eines Gürteltiers, stiehlt Eier. Hitze, Durst, Hunger, systematische Verfolgung zehren bedrohlich an ihren Ressourcen. Die Füße werden wund, Daisy kann nicht mehr, muss getragen werden. Molly trägt unermüdlich, scheint von Einstellung zu Einstellung weniger zu werden. Nie zweifelt man an der Authentizität der Darstellerinnen. Ohne Pathos vermitteln sie die unfassbaren Strapazen einer solchen Wüstenwanderung.

"Long Walk Home" reicht weit übers Einzelschicksal hinaus. Es zeigt die unerbittliche Konsequenz, mit der die australische Rassenpolitik die Ureinwohner zu Weißen machen wollte. Stolz führt Chief Protector of Aborigines A.O. Neville einer erlesenen Klientel per Diavortrag Erfolgsbeispiele vor: Schon in der dritten Generation ist von der dunklen Haut so gut wie nichts mehr übrig. Kenneth Branagh als korrekter Beamter, der mit missionarischem Eifer und Fanatismus für seine "gute Sache" kämpft, jagt kalte Schauer über den Rücken.

Von 1919 bis 1976 wurden etwa 100.000 Mischlingskinder systematisch von ihren Eltern getrennt, in Heime gesteckt und umerzogen - die "Lost Generation". Phillip Noyce hat ihr mit "Long Walk Home" ein Stück Erinnerung zurückgegeben.

Long Walk Home

Rabbit Proof Fence

Australien 2002, Mit Kenneth Branagh, Everlyn Sampi, Laura Monaghan,

Tianna Sansbury. Musik. Peter Gabriel.

Verleih: Polyfilm. 94 Min.

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