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Aki Kaurismäkis "Der Mann ohne Vergangenheit" ist eine der kurzweiligsten Komödien, die das europäische Kino seit langem gesehen hat.

Verlust von Identität bedeutet nicht selten auch Verlust von Lebenskraft und Lebenswille. Der finnische Regisseur Aki Kaurismäki ("Leningrad Cowboys Go America", "I Hired a Contract Killer"), dessen Filme man zumeist bereits nach wenigen Sekunden erkennt, beweist das Gegenteil in seinem neuen Opus "Der Mann ohne Vergangenheit". Selten war ein Film Kaurismäkis so fröhlich und optimistisch wie dieser.

Der Identitätsverlust des - bis zuletzt namenlosen - Protagonisten beginnt in der ersten Szene: Er wird von Unbekannten in einem Park fast ins Jenseits geprügelt und bleibt von den Ärzten für tot erklärt zurück. Tote leben länger und so steht Kaurismäkis Protagonist plötzlich wieder mitten im Leben, jedoch ohne Erinnerung. Er weiß weder seinen Namen noch seine Herkunft und beginnt, sein neues, unbekanntes Leben zu ordnen. Am Stadtrand von Helsinki eröffnet sich ihm seine neue Zukunft: Mit neuen Freunden, die allesamt zu den Ausgestoßenen der Gesellschaft gehören.

Doch Kaurismäki geht nicht den Weg des sozialen Realismus, sondern erzählt ein Märchen: Trotz Heilsarmee und mobiler Suppenküche dominiert Freude die Szenerie, wenn sich der "Mann ohne Vergangenheit" (Markku Petola) in eine Mitarbeiterin der Heilsarmee (Kati Outinen) verliebt. Und während er sich langsam an sein neues Leben am Rande der Gesellschaft gewöhnt und sich daran auch wieder erfreuen kann, baut sich um ihn herum eine Welt auf, die Kaurismäki nur haarscharf an der Verkitschung vorbei inszeniert.

Der wortkarge und namenlose Held in "Der Mann ohne Vergangenheit" - der in einer köstlichen Szene bei einem Banküberfall gemeinsam mit der Kassierin im Tresorraum eingeschlossen wird - ist am Ende der Gerechte, der das Geld, das er gar nicht erbeutet hat, verteilt. Doch da holt ihn bereits seine Vergangenheit ein, deren Trott für ihn nicht mehr ertragbar scheint. Für ihn brauchte es erst den Identitätsverlust, um seinen Platz im Leben zu finden. Filmisch möglich wird dieser Wandel von der Schwarzseherei zum Optimismus vor allem durch Kaurismäkis Erkenntnis, dass es ohne Verlust oder Aufgabe von Identität auch keinen Neuanfang im Leben geben kann.

Dank der sparsamen, trocken-humorigen Dialoge, aber auch dank Kaurismäkis Vorliebe fürs Lakonische ist "Der Mann ohne Vergangenheit" einer der unterhaltsamsten Filme der letzten Zeit. Nicht umsonst erhielt Kaurismäki bei den diesjährigen Filmfestspielen von Cannes den Großen Preis der Jury.

DER MANN OHNE VERGANGENHEIT - Mies vailla menneisyytta

Fin/D/F 2002. Regie: Aki Kaurismäki.

Mit Markku Peltola, Kati Outinen, Annikki Tähti, Juhani Niemelä.

Verleih: Stadtkino. 97 Min.

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