Werbung
Werbung
Werbung

Das Wiener MAK feiert 60 "Spiegel"-Illustratoren und stellt sich dabei die Frage nach Kunst und Gebrauchsgrafik.

Collin Powell als Batman, der Rächer von Gotham City, Donald H. Rumsfeld als Conan der Barbar, weiters Condoleezza Rice als Amazone Red Sonja, Dick Cheaney im Leder-Outfit des Terminator und gewissermaßen als Krönung dieses eigenwilligen Faschingsfestes George W. Bush als traumatisierter Vietnam-Kämpfer Rambo. Mit einem Willen blicken alle fünf Helden in dieselbe Richtung, als ob sie einander bei Dreh der noch ausständigen Fortsetzungsfilme helfen wollten. Gestaltet hat das Titelbild Jean-Pierre Kunkel, einer von rund 60 international renommierten Illustratoren, deren Werke derzeit im mak Wien zu sehen sind: in der Ausstellung "Die Kunst des Spiegel - Titel-Illustrationen aus fünf Jahrzehnten", in der das berühmte Blatt seine kulturhistorische Bedeutung unter Beweis stellt.

Seit beinahe 50 Jahren setzen die Illustratoren die allmontagliche Botschaft der Redaktion des Spiegel in Bildsprache um. Die angelsächsische Redewendung "Don't judge a book by its cover" ("Beurteile ein Buch nicht nach seinem Umschlag") ist demgemäß für Nachrichtenmagazine bedeutungslos. Im Gegenteil: "Das Titelbild soll das spontane Interesse des unvorbereiteten Betrachters wecken und das Titelthema schnell erfassbar visualisieren", erklärt Stefan Aust, Chefredakteur des Spiegel, anlässlich der Ausstellung in einem Schreiben. Die Titelblätter gelten als Gradmesser gesellschaftlicher Befindlichkeiten und als Dokumente der Stil-, Zeit- und Politikgeschichte.

Kultur-Diagnostik

Die Spezialität des Polen Rafal Olbinski sind surreale Motive, er spielt gern mit griechischer Mythologie. Der deutsche Alfons Kiefer wiederum liefert 1999 ein grafisches Glanzstück: Seine Landsleute - spärlich, mit Golfschuhen oder Surfer-Overall bekleidet - rammen die deutsche Flagge in den Strand eines Inselidylls. "Wem gehört Mallorca?" steht zu lesen. Das Meisterwerk in Acryl hat sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Der Amerikaner Daniel Adel sorgte für eine der provokantesten Darstellungen: us-Präsident George W. Bush im Cowboy-Duell mit John F. Kerry, seinem Rivalen im Kampf um die Präsidentschaft. Bei genauem Hinsehen erblickt man in Bushs Halfter statt einer Waffe eine Banane...

Ausgestellt sind fast 200 Original-Illustrationen. Publizierte Arbeiten stehen dem gedruckten Spiegel-Titel gegenüber; auch zahlreiche unveröffentlichte Illustrationen sind zu sehen. Die Bilder sollen das Sichtbare verständlich und das Unsichtbare anschaulich machen. Direkt oder verschlüsselt, intellektuell, kritisch oder provokant: Neben der besonderen Vorliebe für Freud und Psychologie nehmen soziale Themen und gesellschaftliche sowie gesellschaftspolitische Entwicklungen auf den Titelblättern des Spiegel einen großen Platz ein.

Die Freiheitsstatue mit Schlagstock im Gürtel, ein kleines Mädchen, deren Schultüte sich als Joint entpuppt - oft werden vertraute Bilder in einem verblüffenden Kontext neu komponiert. Geliehene Bilder alter Meister sind oft mit modernen Texten durchmischt.

Kunst und Alltag

40 Titelblätter des Spiegel mit Original-Illustrationen von Hermann Degwitz haben es schon vor Jahren auf die Documenta 5, die berühmteste Weltausstellung moderner Kunst, geschafft. Dennoch führen europäische Illustratoren im Gegensatz zu den usa ein Schattendasein. Illustration gilt bestenfalls als "Gebrauchsgrafik", keinesfalls jedoch als Kunst. Die Ausstellung würdigt erstmals die Künstler, die Woche für Woche unter großem Zeitdruck außergewöhnliche Kreationen in den roten Spiegel-Rahmen setzen. Einer von ihnen ist der Wiener Michael Pleesz.

Die gestalterischen Mittel der Zeichnungen, Gemälde und Illustrationen reichen von Fotografie, Malerei und Federzeichnung über die Airbrush-Technik bis hin zu digitalen Verfahren. Das mak bewegt sich mit dieser Schau ein weiteres Mal im Spannungsfeld zwischen Kunst und Alltag. Die Ausstellung war bereits in verschiedenen deutschen Städten zu sehen und wird im New Yorker Museum of American Illustration ausklingen.

DIE KUNST DES SPIEGEL:

Titelillustrationen aus fünf Jahrzehnten

MAK- Kunstblättersaal

1010 Wien, Stubenring 5

bis 28. August 2005

Di 10-24, Mi-So 10-18 Uhr

Infos: www.mak.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung