Die Unschuld des Dr. Sex

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Bill Condon setzt in "Kinsey" das schillernde Leben und umstrittene Werk des Sexforschers Alfred Kinsey ins Bild. Und Liam Neeson brilliert.

Mit der Einzigartigkeit von Gallwespen beschäftigt sich der Zoologe Alfred Kinsey jahrzehntelang - bis er auf ein viel spannenderes Gebiet stößt: die Sexualgewohnheiten der Gattung Mensch. Erstaunt vom Informationsdefizit seiner Studenten beginnt Kinsey, die menschliche Sexualität systematisch zu untersuchen. 1948 veröffentlicht er erste Ergebnisse in der Studie "Das sexuelle Verhalten des Mannes". Dafür werden der Forscher und sein "Kinsey-Report" berühmt und umstritten. Doch einen wahren Sturm der Entrüstung entfacht bezeichnenderweise erst sein zweites Buch über die weibliche Sexualität.

Bill Condon hat in einer Low-Budget-Produktion das Leben des Forschers verfilmt. Behutsam und ohne Voyeurismus fasst Condon das Thema an, mit einem ausgewogenen Script und einem überzeugenden Liam Neeson in der Hauptrolle des umstrittenen Sexforschers. Diese Besetzung bestimmt auch den Grundton des Films: Neeson bringt es fertig, dass seine Figur trotz der permanenten Beschäftigung mit Sex eine gewisse Unschuld behält.

Der Film handelt aber nicht nur von Kinseys Forschungsarbeit und seinem Team. Condon fokussiert auf das Privatleben des Wissenschafters, angefangen mit seiner Kindheit unter dem puritanischen Vater (John Lithgow), der jede Körperlichkeit verdammt. Kinseys Frau Clara wird von Laura Linney gespielt, mit ihr gemeinsam entdeckt er seine eigene Sexualität, mit ihr hat er eigene Kinder, die seinen Forschungen zwiespältig gegenüberstehen. Als er seine Bisexualität ausleben will, ficht Clara mit ihm den Kampf um den Bestand ihrer Ehe aus.

Dass das Leben von Alfred Kinsey ausgerechnet jetzt verfilmt wird - und zeitgleich auch ein Buch von T.C. Boyle über den schillernden "Dr. Sex" erscheint (siehe Seite 18) - entbehrt nicht einer gewissen Ironie. In manchen us-Bundesstaaten ist Oralverkehr nach wie vor sogar in der Ehe untersagt, und immer noch sind die usa eines der Länder mit den meisten Teenagerschwangerschaften. Die Bush-Administration propagiert in den Schulen nicht Aufklärung, sondern Abstinenz. Genau diese puritanische Gedankenwelt ist es, aus der Kinsey ausbrechen wollte, unter der er selbst in seiner Kindheit und Jugend litt - eine Gedankenwelt, wo selbst ein Reißverschluss zur Quelle des Bösen werden kann.

KINSEY - Die Wahrheit über Sex

USA 2005. Regie: Bill Condon.

Mit Liam Neeson, Laura Linney, Peter Sarsgaard, Chris O'Donnell, John

Lithgow. Verleih: Foxfilm. 119 Min.

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