Grosses Plus für den ORF

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Sie starb im Februar dieses Jahres an Krebs - einen Tag nachdem "ihr" Film auf der Berlinale uraufgeführt und gefeiert wurde: Traudl Junge, Hitlers Sekretärin, hat durchs Erzählen nicht zuletzt mit ihrer Geschichte Frieden schließen können. Sie ist durch die filmische Brille von André Heller und Othmar Schmiederer außerdem zu einer historischen Gestalt geworden, die das Zentrum des Dritten Reiches - den "toten Winkel", wie sie selbst sagte - unnachahmlich lebendig werden lässt. Kein Wunder, dass Hellers/Schmiederers mit spartanischer Dramaturgie gestalteter Dokumentarfilm "Im toten Winkel" das BerlinalePublikum begeisterte und nun, glaubt man Medienberichten, gar für einen Dokumentarfilm-Oscar nominiert werden könnte.

ORF 2 zeigte "Im toten Winkel" am 8. November, dem Vorabend des Jahrestags der Novemberpogrome 1938. Der Film lief bis in den Sommer hinein in den Kinos, die unbefangenen Erinnerungen Traudl Junges waren fesselnde Zeitgeschichte - jeder Augenblick davon nötig. Ob das beklemmende Kino-"Erlebnis" auch im Fernsehen zur Geltung kommen würde?

André Hellers und Othmar Schmiederers Entscheidung, nur Traudl Junge zu zeigen und auf Archiv-Material völlig zu verzichten, erwies sich auch für die Fernsehausstrahlung als durch und durch richtige Methode, die Erlebnisse der Hitler-Sekretärin als Oral History authentisch werden zu lassen. Dass die Dokumentation nun in die österreichischen Wohnzimmern kam - 680.000 sahen den eineinhalbstündigen Film - machte einen Aspekt in Traudl Junges Erzählungen besonders aktuell: Hitlers (Privat-) Leben war, so Junges Wahrnehmung, eine banale Belanglosigkeit - wie in irgendeinem kleinbürgerlichen Wohnzimmer der damaligen Zeit.

Dem ORF ist es gelungen, rund um den Jahrestag der Novemberpogrome einen adäquaten Schwerpunkt zu setzen, sogar die ZiB 2 musste bis nach 23 Uhr warten. "Im toten Winkel" war ein Paradebeispiel: Man wünscht sich, dass der ORF seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag noch oft auf solche Weise nachkommt.

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