Hausbesetzer blicken zurück

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WAS TUN, WENN'S BRENNT?

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WAS TUN, WENN'S BRENNT?

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In den achtziger Jahren bauen sechs Freunde aus der Hausbesetzer-Szene eine Bombe, die sie in einem leerstehenden Haus deponieren und bald wieder vergessen. 13 Jahre später explodiert die Bombe allerdings; die Freunde, deren Lebenswege sie teilweise weit von ihren einstigen Idealen entfernt haben, nehmen wieder Kontakt zueinander auf: Sie wollen den einzigen Beweis für ihre Täterschaft, einen Super-8-Film, der Polizei wieder abknöpfen. Mit einer humorigen Note erzählt der Film seine flotte Geschichte und lässt die Figuren dabei ihre seinerzeitigen Ideale reflektieren. Sein diesbezügliches Potential lotet er nicht ganz aus, ist aber insgesamt ein vergnüglicher, manchmal wehmütiger Blick auf ein Stück Berlin, das es heute nicht mehr gibt. Ab 14.

Westberlin, 1987: Sechs Freunde leben in einem besetzten Haus und engagieren sich im Widerstand gegen Kapitalismus und Staatsgewalt. Sie haben sich darauf spezialisiert, Raubkopien von Filmen anzufertigen und diese, verschnitten mit eigenen Super-8-Aufnahmen, mittels Projektion auf Häuserwände gratis zugänglich zu machen. Gefilmt wird so gut wie alles, auch das Herstellen einer Bombe, die in einer leerstehenden Villa deponiert und bald wieder vergessen wird.

13 Jahre später detoniert die Bombe allerdings, die Polizei beginnt die Suche nach ihren Bastlern. Die haben sich mittlerweile in alle Winde zerstreut und widmen sich seinerzeit verschmähten Aufgaben wie etwa dem "ehrbaren" Beruf des Anwaltes, der Mutterschaft oder dem Leiten einer großen Werbeagentur. Nur zwei der ehemaligen Gruppe leben noch in dem alten Haus und haben ihre Ideale nicht aufgegeben. Nach Beschlagnahme des "heißen" Films durch die Polizei stellen sie den Kontakt zu ihren alten Freunden wieder her, und bald wird klar: Die einzige Möglichkeit, sich aus dieser Situation herauszumanövrieren, ist, in einer gemeinsamen Aktion den Film aus der Polizeikaserne wieder herauszuschaffen.

Fernsehbilder über die Hausbesetzer aus dem Berlin der achtziger Jahre sind auch hierzulande noch in bester Erinnerung: Als randalierende Rowdys wurden sie dargestellt, die sich keinen Deut um den Rechtsstaat kümmern und von Hygiene nichts halten. Diese Bilder macht sich der Film in der Einstiegssequenz zu Nutze und etabliert so Handlungsort, -zeitraum und die Figuren. Die Hausbesetzer sind hier aber nicht wie in der entsprechenden medialen Berichterstattung negativ besetzt, sondern sind die Sympathieträger, Freunde, die ihrer Überzeugung gemäß leben und an ihrem Leben Spaß haben. Mehr als zehn Jahre später erinnern sie sich an ihre gemeinsame Zeit, und dieses Erinnern wird zur Auseinandersetzung mit ihren jeweiligen Idealen, mit dem, was ihnen heute wichtig ist und damals wichtig war. Die Lebenswege der Figuren, die nicht mehr im Haus wohnen, stehen dabei für jeweils eines ihrer seinerzeitigen prototypischen Nicht-Ideale: Recht und Ordnung, Kapitalismus, Ehe, Mutterschaft.

Es ist einerseits schade, dass der Film hier zwar an der Oberfläche kratzt, aber sein Potential nicht auslotet und vieles unausgesprochen lässt. Andererseits passt das aber auch zum Stil des Films, der seine flotte Geschichte mit einer humorigen Note erzählt und schließlich auch die Polizei in Person eines alten "Aktivistenjägers" über den Einfallsreichtum der Gruppe schmunzeln lässt.

Ein bisschen aus dem Rahmen fällt nur Doris Schretzmayer, deren gekünsteltes Berliner Deutsch eher peinlich klingt: Für diese Figur hätte man sich eine Biographie mit österreichischem Background gewünscht.

D 2001 - Produktion: Columbia / Claussen + Wöbke - Produzent: Andrea Willson / Jakob Claussen / Thomas Wöbke - Verleih: Columbia - Länge: 102 Min. - Regie: Gregor Schnitzler - Buch: Stefan Dähnert / Anne Wild - Kamera: Andreas Berger - Schnitt: Hansjörg Weissbrich - Musik: Stephan Zacharias / Stephan Gade - Darsteller: Til Schweiger, Martin Feifel, Sebastian Blomberg, Nadja Uhl, Matthias Matschke, Doris Schretzmayer, Klaus Löwitsch, Devid Striesow

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