"Ja" - solange es geht

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Monat für Monat kämpft die ungarische Zeitschrift "Igen" ("Ja") ums Überleben. Denn von Mutter Staat kommt keine Unterstützung.

Wieviel Tonnen Brezeln haben wir jetzt gegessen?" Die Stimmung auf der Redaktionskonferenz ist ausgelassen, trotz allem. Humor ist eben, wenn man trotzdem lacht, und Knabbereien kann man sich noch leisten. Mit den Druckkosten wird es schon schwieriger. Denn der Staat zahlt nicht, was er verspricht.

Die ungarische Monatszeitschrift Igen ("Ja") ist ein idealistisches Unternehmen. In einer Auflage von 2000 Stück versuchen die großteils ehrenamtlichen Mitarbeiter nun schon seit 17 Jahren, junge Leute anzusprechen. Zielgruppe sind all jene, die "auf der Suche" sind, meint Gergely Tóth, einer der Journalisten des Blattes. Was sie suchen, muss nicht unbedingt religiöser Natur sein, und was sie im Igen finden, dreht sich nicht nur um Glaubensfragen, auch wenn sich die Zeitschrift bereits im Titel dazu bekennt, "katolikus" zu sein. In der Septembernummer ging es um Amerika, der Oktober ist nonverbaler Kommunikation gewidmet, der November dem Tod und der Dezember kinderlosen Paaren.

Von der Krisensitzung ist man nun beinahe nahtlos zur Planung der nächsten Nummern übergegangen und unterstreicht damit die Worte der Chefredakteurin Ágnes B. PetÝofi: "Nein wir gehen nicht pleite." Bei Igen greift man zur Selbsthilfe.

"Hilf dir selbst, dann ..."

Wer nämlich offensichtlich pleite ist, ist das ungarische Kultusministerium, so sind sich alle einig, die vergeblich auf Fördergelder warten. So werden allerorts Sparpakete geschnürt. An den Universitäten sind die Kassen besonders knapp, akademischer Sprachunterricht wird etwa kaum noch unterstützt. Und für ein renommiertes Szene-Kulturzentrum wie das "Trafó" in der Budapester Ferencváros hat man gleich von vornherein kein Geld. Anderen wiederum sagt man zu, was man nicht halten kann. So erging es Igen. Nicht genug damit, dass die staatliche Förderung von drei Millionen Forint (knapp 12.000 Euro) im Vorjahr ohnehin auf die Hälfte gekürzt wurde, auch die verbliebenen eineinhalb Millionen werden nicht zur Gänze ausbezahlt. 60 Prozent davon gibt es heuer noch, die fehlenden 40 Prozent erst 2006. An ein kleines Budget sind die Mitarbeiter gewöhnt, diesmal aber wird es wirklich eng. Nun sind kreative Alternativlösungen gefragt. Und auch ein bisschen Glück.

Dass Igen nicht nur eine Zeitschrift gestaltet, sondern in der Redaktion am Budapester Ferenciek tere auch Journalisten ausbildet und Bücher herausgibt, hilft nun bei der Selbsthilfe: in einem der Bücher ging es um das Spannungsfeld von Katholizismus und Kapitalismus - und einige der katholischen Kapitalisten erweisen sich nun als spendabel. Auch weniger finanzkräftige Leser unterstützen die Zeitung nach ihren Möglichkeiten: "Heute hat den ganzen Tag das Telefon geläutet", erzählt PetÝofi, "manche spenden 2000 Forint, andere 3000 Forint, es ist richtig rührend." Auch die Kollegen helfen. Das katholische Radio und die Zeitschrift Új ember ("Neuer Mensch") inserieren, und gedruckt wird bis Ende des Jahres zum Papierpreis, selbst der Umbruch ist gratis. Die Chefredakteurin ist dafür sehr dankbar: "Das Entgegenkommen der Druckerei ist eine große Hilfe."

Mutige Visionäre

Von der Kirche ist hingegen nichts zu erwarten. Erstens werden auch wirklich kirchennahe Medien nicht finanziell unterstützt und zweitens ist Igen unabhängig und will das auch bleiben. Wenn es sein muss, dann eben mit einer dünneren Zeitung. Das Blatt wird nun von 32 Seiten auf 24 verschlankt. Dafür möchte man sich in Zukunft verstärkt auch über die Homepage mitteilen, etwa über ein spezielles Nachrichtenservice. Ein völliger Rückzug ins Internet kommt für die Chefredakteurin aber nicht in Frage: "Irgendwann werden wir wohl ohnehin fusionieren müssen. Bis dahin gilt es, als Printmedium irgendwie zu überleben." Dazu braucht es Mut zur Improvisation und Visionen. "Wie alle anderen auch, träumen wir davon, einmal eine so gute Nummer zu machen, dass einfach alle sie haben wollen und kaufen!" PetÝofi lächelt, greift nach der vorletzten Brezel und wirft einen Blick auf das Kruzifix an der Wand: "Und wir werden beten. Von oben erwarten wir die größte Hilfe." Vielleicht wird sich ja das alte Sprichwort bewahrheiten: Macht der Herrgott ein Haserl, gibt er auch ein Graserl ... Fragt's sich nur, ob die ungarische Kulturförderung das auch so sieht.

INFO: www.igen.hu

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