Mozart ohne Amadeus

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Kurt Palms Mozart-Film ist ein ebenso skurriles wie volksbildnerisches Porträt - und eine vorzeitige Antithese zum Mozart-Jahr 2006.

Wenn jemand hierzulande den diskreten Charme von Arbeiterbildungsstätten in Filmkult zu fassen imstande ist, dann Kurt Palm. Schon Anfang 2004 - also ein Jahr vor dem Stifter-Jahr - machte sich Palm diesbezüglich an den oberösterreichischen Dichterfürsten heran und zeigte Volksbildung durch skurrile filmische Mittel. Stifter war aber nur die Etüde zum wahren Werk des Kurt Palm. Denn dieses ist - wieder genau ein Jahr zu früh - DEM heimischen Musiker gewidmet: "Der Wadenmesser oder Das wilde Leben des Wolfgang Mozart" ist eine Kollage aus Miniaturen, die von animierten Kapiteleinleitungen, dem Soundtrack von Chrono Popp (erinnerlich aus der "Netten Leit Show" und Palms Stifter-Film) und vor allem Kurt Palm als barwadeligen Fremdenführer an allen möglichen (z.B. das einschlägige Geburtshaus) und unmöglichen (etwa im Schoß der Maria-Theresien-Statue zwischen Kunst- und Naturhistorischem Museum) Mozart-Orten.

Der Titel des Opus beruht auf Palms Recherche-Ergebnis, dass Herr Wolfgang Mozart (das "Amadeus" verdankt die Nachwelt erst der Mozart'schen Witwe, lehrt der Film) die Reize des schwachen Geschlechts an deren Wadenumfang zu taxieren pflegte. Palm hat tatsächlich eine Menge Mozart-Fakten zusammengepackt. Man erfährt etliches über Liebschaften, Fäkalsprache oder die Vermögensverhältnisse des Herrn Komponisten. Palm erklärt auch Mythen wie des Ton-Meisters Armenbegräbnis für beendet und bietet Mozartmusik in fremdem Gewand auf: "Eine kleine Nachtmusik" als Frühschoppen einer oberösterreichischen Blasmusikkapelle, die Ouvertüre zur "Hochzeit des Figaro" als Akkordeonsextett oder die "Entführung aus dem Serail" als orientalische Music-Action unter der Leitung von Otto Lechner.

Das einzige Sprechstück Mozarts wird auf einer Dorfbühne aufgeführt; Palm betätigt sich auch als Taucher und schleppt einen 30 Kilogramm schweren, lebendigen Donauhausen vor die Kamera. Schließlich tritt - wie schon im Stifter-Film - auch der umtriebige St. Pöltner Pathologe Hans Bankl auf, der das Publikum mit Auslassungen über Aderlässe behelligt. Auch die gefilmte Schlachtung eine Stieres, dessen Zunge Palm dann vor der Kamera zubereitet, gehört zu den weniger gustiösen Zugängen.

Sicher bleibt: Einen solchen Mozart-Film macht Kurt Palm so schnell keiner nach.

DER WADENMESSER oder das

wilde Leben des Wolfgang Mozart

Ö 2005. Regisseur: Kurt Palm. Mit Kurt Palm. Verleih: Filmladen. 90 Min.

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