Presserat: Keine Zeit verlieren

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Zweimal durften letzten Mittwoch, 10. April, gelernte Österreicher staunen. Zweimal geschah - in Sachen Medien - etwas längst Fälliges. Zweimal bleibt dennoch ein schaler Nachgeschmack.

Zum ersten: 20 Sekunden lang verlas Jörg Haider an jenem Tag in der ZIB 2 den Widerruf der Behauptung, ein Interview mit der Wiener Stadtzeitung Falter habe es gar nicht gegeben. Haider hatte 1999 dieses Interview nicht autorisiert, der Falter druckte daraufhin nur die Fragen ab. Als das Liberale Forum den Volltext des Gesprächs im Internet veröffentlichte, bestritt Haider in der ZIB 2 die Existenz des Interviews. Der Nachgeschmack: Drei Jahre kann es dauern, bis Haider, gerichtlich gezwungen, die Wahrheit herausrückt.

Zum zweiten: Bereits zuvor hatte an jenem Mittwoch der Presserat, das Selbstkontrollorgan der Zeitungen, der Kronen Zeitung attestiert, mit ihrer Temelínkampagne "die Berufspflichten der Presse grob verletzt" zu haben. Andere Zeitungen publizierten den Spruch des Rates, die Krone revanchierte sich - wie üblich - mit einer Schimpfkanonade, in der der Presserat als "bedeutungsloser Verein mehr oder weniger ausrangierter Wichtigmacher" qualifiziert wurde.

Der Nachgeschmack wegen der Krone-Renitenz gegenüber der Selbstkontrolle wurde ergänzt durch den Nachgeschmack seltsamer Ansinnen aus der Parteipolitik: FP-Klubchef Peter Westenthaler und sein VP-Vis-à-vis Andreas Khol modelten einen Vorschlag von Nationalratspräsident Heinz Fischer für eigene Zwecke um: Fischer hatte angesichts des umstrittenen Buchs "Unsere Klestils" einen Ehrenrat angeregt, und die beiden Koalitionspolitiker wollten diesen gleich an die Stelle des Presserates setzen.

Dies alles darf nicht leichtfertig abgetan werden. Denn wenn sich die Parteipolitik der Pressekontrolle bemächtigen will, müssen alle Alarmglocken schrillen.

Und die Medien-Sozialpartner sollten erkennen: Es ist höchst dringlich, zu einer effektiven Institution der Selbstkontrolle zu kommen. Im Jänner haben Journalistengewerkschaft und Zeitungsverleger vereinbart, den Presserat bis Juni zu reformieren. Wie man an der koalitionären Begehrlichkeit sieht: Für die Reform ist keine Zeit mehr zu verlieren. Otto Friedrich

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