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In "Crimson Gold" skizziert der iranische Regisseur Jafar Panahi die Lebenswelt eines Pizzaboten, den sein Ehrgefühl zum Räuber macht.

Vorerst sind nur Stimmen zu vernehmen. Ein nervöser Dialog: Er solle den Schmuck hergeben. Dunkle Schatten. Eine Frau betritt den Juwelierladen, die Situation eskaliert, ein Schuss. Das aufgeregte Durcheinander der Passanten vor dem Geschäft vermischt sich mit dem schrillen Geräusch der Alarmanlage. Die Kamera zoomt auf den Räuber, einen beleibten Mann, der die Pistole an seine Schläfe setzt und abdrückt. Dann ein abrupter Schnitt, der die Zeit zurückdreht und sogleich das Wesen des Films offenbart: "Crimson Gold" erzählt episodenhaft vom Leben des Räubers vor dem Überfall. Sein Name: Hossein. Gemeinsam mit seinem Schwager in spe, Ali, sitzt er in einem Café und philosophiert über Taschendiebstähle. Hossein, der Pizzabote, steht kurz vor der Heirat und möchte seiner Verlobten Schmuck kaufen. Es stört ihn weniger, nicht über die nötigen Mittel zu verfügen, als vielmehr, wie er vom Juwelier behandelt wird.

Die Diskrepanz zwischen Arm und Reich ist für Hossein überall zu spüren: Abends, wenn er Pizzas ausliefert, öffnet manchmal auch der stinkreiche Jüngling Pourang die Tür. Dieser lebte in den USA und versteht nun, zurückgekehrt in den Iran, die Welt nicht mehr. "Die Menschen sind merkwürdig" - immer wieder fällt dieser Satz, während die Szenerie immer paradoxer wird: Pourang lädt den Lieferanten zu sich ins Appartement, um gemeinsam zu essen. Während der Gastgeber telefoniert, streift Hossein durch die fremden Räume, bedient sich wie selbstverständlich am Kühlschrank, springt in den Pool. Er soll sich schließlich wie zu Hause fühlen. Dennoch erscheint Hossein bei allem, was er macht, traurig. Der Zuschauer weiß wenig über den wortkargen Protagonisten, erfährt in beiläufigen Nebensätzen über ihn. Seine plötzliche Tat wird nicht erklärt, doch durch die Atmosphäre, die Regisseur Jafar Panahi schafft, verständlich gemacht. Panahi besitzt Gespür, nicht nur für Charaktere: Wie nebenbei charakterisiert er in "Crimson Gold" auch die iranische Gesellschaft und ihre Verhaltensmuster.

CRIMSON GOLD - Talaye sorgh

Iran 2003. Regie: Jafar Panahi. Mit

Hossein Emadeddin, Kamyar Sheisi,

Azita Rayeji. Verleih: Stadtkino. 97 Min.

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