Leichtfüßig, aber messerscharf

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"Komödie" ist die Genre-Bezeichnung für Jafar Panahis "Taxi Teheran". Aber obwohl das innerstädtische Roadmovie augenzwinkernd daherkommt, ist darin erst recht punktgenaue Systemkritik verpackt.

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"Komödie" ist die Genre-Bezeichnung für Jafar Panahis "Taxi Teheran". Aber obwohl das innerstädtische Roadmovie augenzwinkernd daherkommt, ist darin erst recht punktgenaue Systemkritik verpackt.

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Der Iran ist dieser Tage im Munde aller Medien: Das Wiener Atomabkommen verschafft dem sanktionierten Regime wieder Zugang zur Bühne der freien Welt -und einen ordentlichen Reputationsschub. Nicht nur, aber auch heimische Wirtschaftstreibenden läuft sichtbar das Wasser im Mund zusammen ob der Aussicht neuer Geschäfte mit dem Staat, in dem der religiöse Obere Ali Khameini immer noch das letzte Wort hat.

Den Schergen ein Schnippchen geschlagen

Mitten in diese Euphorie platzt -vom Termin her zufällig -der jüngste Film von Jafar Panahi, der mit "Taxi Teheran" heuer in Berlin den Goldenen Bären erringen konnte. Schon allein die Repression gegen diesen Regisseur zeigt, dass mit den Machthabern in Teheran bis heute nicht zu spaßen ist: 2010 wurde Panahi samt Frau und Tochter verhaftet; weil er ohne Anklage und Anwalt inhaftiert blieb, trat er in den Hungerstreik. Drei Monate später kam er auf Kaution frei, wurde dann aber wegen "Propaganda gegen das System" zu sechs Jahren Haft sowie einem 20-jährigen Berufs-,Ausreise-und Interviewverbot verurteilt. Wie kann unter solchen Umständen ein Film entstehen?

Er kann - und "Taxi Teheran" ist schon das dritte Opus, mit dem Panahi seinen Schergen ein Schnippchen schlug: Der Regisseur betätigt sich in dem Streifen als Taxifahrer in Teheran und zeigt 82 Minuten lang, was er auf seinen Fahrten alles erlebt hat.

Natürlich sieht man diesemFilm schon die Umstände seiner Entstehung an, aber das ist nicht das Kriterium, das man anlegen sollte. Denn "Taxi Teheran" ist so etwas wie eine filmische Miniatur über den Alltag einer fremden Welt. Und es ist ein Stück heitere Gelassenheit, der hier der Protagonist und Regisseur Panahi frönt. Das mag auf den ersten Blick erstaunlich wirken, ist aber die eigentliche Subversion, denn der Film beweist in seiner vorgeblichen Leichtfüßigkeit, dass ein Jafar Panahi nicht zu brechen ist.

Trotz des dokumentarischen Gestus bleibt der Gutteil des Streifens inszeniert - der Zuschauer weiß aber keineswegs, was Realität und was Fiktion ist, außer der -dann doch! - Beklemmung, dass die Fiktion verdammt real ist. Wenn Panahi einen DVD-Händler, der verbotene Streifen von "The Walking Dead" bis zu Woody Allen im Sortiment führt, mitnimmt, weiß man, wo die Repression ansetzt. Das wird auch bei der Menschenrechtsanwältin und Freundin Panahis deutlich, die an den unbeschreiblichen Zuständen in den Gefängnissen verzweifelt. Auf einer anderen Ebene ist das dann die Frau, deren Mann bei einem Autounfall verletzt wurde, und den das Taxi in die nächste Klinik bringt.

Filmen als Volksschul-Hausaufgabe

Den Vogel schießt aber Panahis Nichte ab, die in der Volksschule einen Film als Aufgabe ausgefasst hat. Dem Mädchen hat die Lehrerin eingetrichtert, was sie alles nicht filmen darf, damit die Aufgabe angenommen wird. Als die Kleine dann einen Straßenjungen vor die Kamera bekommt, der einen Geldschein aufhebt, den der Bräutigam einer Hochzeitsgesellschaft verloren hat, wird es richtig dramatisch: Hana versucht den Buben davon zu überzeugen, dass er das Geld dem Bräutigam zurückgeben muss - denn, so hart kann das Leben sein, sonst kann sie die Aufnahme für ihren Film nicht verwenden: Prägnanter wie Panahi dies hier zusammengeschnitten hat, ist die Systemkritik kaum auf den Punkt zu bringen.

Taxi Teheran Iran 2014. Regie: Jafar Panahi. Filmladen. 82 Min.

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