Auf in diese Berge

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"Drei Gesichter": Jafar Panahi und Behnaz Jafari fahren von Teheran aus in den Nordwest-Iran, um ein verschwundenes Mädchen, das schauspielen will, zu finden.

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"Drei Gesichter": Jafar Panahi und Behnaz Jafari fahren von Teheran aus in den Nordwest-Iran, um ein verschwundenes Mädchen, das schauspielen will, zu finden.

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Vor vier Jahren wurde ihm der Goldene Bär in Berlin für "Taxi Teheran" verliehen; aber Jafar Panahi, mit Berufs-und Ausreiseverbot belegter iranischer Filmemacher, konnte den Preis schlicht deswegen nicht nach Hause mitnehmen, weil er eben physisch an der Berlinale-Teilnahme gehindert wurde. Ob Panahis in "Taxi Teheran" praktizierte Methode, im Taxi quasi im Untergrund und vor den Schergen des Regimes verborgen zu filmen, eine reale Notwendigkeit war oder mehr eine künstlerische Metapher über die Zustände im Iran darstellte, wurde auch von der Kritik diskutiert, nahm aber dem Stadt-Roadmovie keinerlei - politische wie künstlerische -Relevanz.

Auch in seinem neuen Film "Drei Gesichter" bedient sich Panahi nämlicher Methode. Der iranische Regisseur ließ sein Opus diesmal in Cannes uraufführen und heimste dort eine Palme für das Beste Drehbuch ein. Panahi verlegt diesmal seine Geschichte aus der Megcacity Teheran in den Nordwesten des Iran, wo die Aseris leben, die Aserbaidschanisch und nicht Persisch sprechen. Außerdem verwebt Panahi eine Social-Media-Geschichte in den Plot hinein - nicht zuletzt deswegen, weil trotz aller Restriktion Social Media zu einem wesentlichen Kommunikationsmittel der großteils jungen iranischen Bevölkerung geworden sind.

Behnaz Jafari -eine der bekanntesten iranischen Schauspielerinnen -erhält via Social Media die verstörende Botschaft eines Mädchens aus der Provinz Ost-Aserbaidschan. Das Mädchen möchte Schauspielerin werden, aber die konservative Familie und Dorfgemeinschaft wollen alles, nur das nicht zulassen. Und weil die junge Frau verschwunden ist, macht sich Jafari mit ihrem Freund Jafar Panahi in dessen Auto auf den Weg in den Norden.

"Drei Gesichter" meint drei Generationen an Frauen, die alle mit Schauspielen zu tun haben: das verschwundene Mädchen, Behnaz Jafari sowie die legendäre Filmschauspielerin Shahrzad, die auch in der Gegend lebt, aber seit der Revolution vor 40 Jahren nicht mehr spielen darf. Shahrzad tritt im Film nicht selbst auf, sie ist nur in dessen Handlung und über ein Gedicht von ihr "anwesend".

Wie schon in "Taxi Teheran" filmt Jafar Panahi auch in "Drei Gesichter" die fiktive Geschichte quasi-dokumentarisch, er und Behnaz Jafari spielen sich selbst, und die Kameraführung gibt vor, alles aus einer Uutergrundposition heraus zu beobachten - das kann real oder eben "bloß" das künstlerische Statement von Panahi sein.

Auf diese Weise gelingt es auch in "Drei Gesichter", eine dichte, ebenso beklemmende wie ironisch-humorvolle Atmosphäre zu vermitteln: Die alten Männer, die in den Dörfern des Nordens das Sagen haben, kämpfen (wie auch das Regime überhaupt?) Rückzugsgefechte, selbst wenn sie zunächst weiter Erfolg haben mit ihrer Obstruktion gegen Öffnung und Moderne.

Alles ist von Regeln und Gesetz eingekreist -auch die engen Straßen macht niemand breiter, damit zwei Autos Platz haben; dafür muss man sich durch Hupen verständlich machen -und nur wenn man kein "Gegenhupen" hört, darf man weiterfahren, weil dann in den engen Kurven mit schroffen Abgründen keine entgegenkommenden Fahrzeuge zu erwarten sind.

"Drei Gesichter" entpuppt sich als subtile, auch augenzwinkernde Erzählung vom kleinen, ganz kleinen Durchbruch der Freiheit und eines frischen Winds, den auch die Städter, als welche Panahi und Jafari von den Bergbewohnern misstrauisch beäugt werden, brauchen können. Dass die eigentlich grandiose Darstellung der jungen Laienschauspielerin Marziyeh Rezaei in der Rolle des Mädchens gelingt, muss natürlich besonders hervorgehoben werden.

Drei Gesichter (Se rokh) Iran 2018. Regie: Jafar Panahi. Mit Marziyeh Rezaei, Behnaz Jafari, Jafar Panahi. Filmladen. 100 Min.

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