Biedere Priesterin ohne Seelenqual
Achim Freyer präsentierte seine Inszenierung von Christoph Willibald Glucks Reformoper „Iphigenie en Tauride" im Theater an der Wien.
Achim Freyer präsentierte seine Inszenierung von Christoph Willibald Glucks Reformoper „Iphigenie en Tauride" im Theater an der Wien.
Die Antike hat es ihm angetan: Aber Freyers Wiederbelebungsversuch an Glucks Opern-Geniestreich enttäuscht. Weder musikalisch noch optisch überzeugte die Produktion der Berliner Staatsoper Unter den Linden. Menschhche Leidenschaften und Läutenmg bleiben im Verborgenen, die Flut der symbolträchtigen Bilder erstickt die Gefühle der Atriden-Sprosse Iphigenie und Orest: Durch das düstere Land Tauris stolziert Iphigenie als hochmütiges Werkzeug für die Blutopfer an Diana. Eine biedere Priesterin auf Stelzen.
Als Erlöser mit Lichtspeer schickt Freyer Orest und Pylades an die Ufer des Barbarenreichs: wahrliche Ritter der traurigen
Gestalt. Aber so wenig Iphigenies Verzweiflung spürbar wird, so wenig erleidet Orest Seelenqual durch den Fluch der Eumeniden. Freyer, der Theatermann vergaß auf die Tragödie, auf den Organismus von Glucks Gesamtkunstwerk.
Leider ist die Aufführung auch musikalisch kein Ereignis. Weit unter Festwochen-Niveau agiert Dirigent Thomas Hengelbrock mit der Staatskapelle Berlin. Ohne Sinnlichkeit und Dramatik erklingt Glucks Opernsensation aus dem Jahre 1779. Und Carola Höhn (Iphigenie), Gino Quilico (Orest), Keith Lewis (Pylades) und Armand Arapian (Thoas) fehlen menschliche Ausdrucksund sängerische Durchschlagskraft, um dem trostlosen Bilderreigen Farbe zu geben.