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Glanz des Barocks

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Mit der 1779 ln Paris uraufgeführten Oper „Iphigėnie en Tauride“ hatte Gluck sein Reformwerk beendet und einen endgültigen Triumph über die Piccinisten errungen. Zwei Jahre später wurde die von J. B. Aixinger und Gluck hergestellte deutsche Fassung im Theater am Kämtnertor gezeigt. Ins Große Haus am Ring kam Glucks letzte Oper 1873 — und konnte hier nicht heimisch werden. 1884 wurde sie hier zum letztenmal gegeben, also vor 85 Jahren. So kann die Inszenierung durch Gustav Rudolf S e 11 n e r und Filippo San just unter der musikalischen Leitung von Horst Stein als eine Entdeckung gewertet werden. Der Erfolg am Premierenabend, vergangenen Samstag, sowie die Reprisen am 2., 6., 11. und 14. Dezember werden vielleicht dazu beitragen, dieses Meisterwerk im Wiener Repertoire zu verankern.

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Mit der 1779 ln Paris uraufgeführten Oper „Iphigėnie en Tauride“ hatte Gluck sein Reformwerk beendet und einen endgültigen Triumph über die Piccinisten errungen. Zwei Jahre später wurde die von J. B. Aixinger und Gluck hergestellte deutsche Fassung im Theater am Kämtnertor gezeigt. Ins Große Haus am Ring kam Glucks letzte Oper 1873 — und konnte hier nicht heimisch werden. 1884 wurde sie hier zum letztenmal gegeben, also vor 85 Jahren. So kann die Inszenierung durch Gustav Rudolf S e 11 n e r und Filippo San just unter der musikalischen Leitung von Horst Stein als eine Entdeckung gewertet werden. Der Erfolg am Premierenabend, vergangenen Samstag, sowie die Reprisen am 2., 6., 11. und 14. Dezember werden vielleicht dazu beitragen, dieses Meisterwerk im Wiener Repertoire zu verankern.

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Was Glucks Werk, speziell die „zweite Iphigenie“, für die Gattung Oper bedeutet, kann man in jeder Musikgeschichte nachlesen. Ähnlich wie Monteverdis „Poppea“ ist diese Musik bis auf den heutigen Tag lebendig geblieben. Es bedarf nur der richtigen Interpreten, dies sicht- und hörbar zu machen.

Gustav Rudolf Seltner will „Iphigenie auf Tauris“ durch seine Inszenierung als ein Werk des übergan-. ges darstellen, das den barocken Rahmen zugleich erfüllt und sprengt. Zu Beginn, während des Vorspiels, sieht man eine spätbarocke Hofge- gesellschaft im Gespräch, ein Sturm bricht los, schwere Wolken ziehen über den gemalten Himmel, Theaterblitze zucken, die Hofgesellschaft zieht sich vor eben jenem Gewitter zurück, das Orest und seinen Freund Pylades an das ungastliche Gestade von Tauris wirft.

Hier lebt Orests Schwester Iphigenie dm Dienste des Skythenkönigs Thoas als Priesterin, die an allen Gefangenen den blutigen Opferdienst zu versehen hat. Nach schweren Seelenkämpfen und handlungsmäßigen Komplikationen erkennen sich die Geschwister, Diana versöhnt Taurier und Griechen, Orest darf nach Griechenland zurückkehren und dort den verwaisten Thron seines Vaters Agamemnon besteigen.

Der Bühnenbildner Filippo Sanjust stellt klassizistische Landschaften und Bauten auf die Bühne, wie sie das Auge eines spätbarocken Künstlers gesehen haben mag. In harmonischem Gegensatz dazu sind die — gleichfalls historischen Vorbildern nachempfundenen — Kostüme von barockem Prunk. Sie gehören zum Schönsten, was man während der letzten' Jahre auf der Bühne der Staatsoper sah. Mit ihnen wieder kontrastieren die in klassischem Weiß gekleideten Priesterin- nen, deren Gewänder mit hellblauen Gürteln dezent verziert sind. Nicht unerwähnt dürfen auch die überaus dekorativen, prächtigen, bis auf den Boden herabreichenden Goldketten bleiben, mit denen die gleichfalls nobel gewandeten Freunde Orest und Pylades gefesselt sind.

Das Barockgewitter allein macht für den theaterhistorisch Interessierten diese Aufführung sehenswert... Doch das alles sind nur Details — einschließlich der monumentalen Kulisse für die Schlußapotheose —, die sich harmonisch zum Ganzen fügen ...

Vor allem dank der sehr sorgfältigen Führung sämtlicher Hauptpersonen und des Chores (vom Ballett bei seinen wenigen Einsätzen kann man dies leider nicht sagen). Horst Stein am Pult läßt keinen Augenblick ver gessen, daß Glucks Musik nicht durch das Wort, sondern durch Gedanken, Gefühle und Leidenschaften entzündet wurde.

Was die darstellerischen und sängerischen Leistungen der Solisten betrifft, so schnitten die Männer am Premierenabend etwas besser ab als die Damen: allen voran der Orest des Barry McDaniel, ferner Waldemar Kmentt als stimmgewaltiger Pylades und Walter Kreppei als in jeder Hinsicht imposanter Thoas. — Sena Jurinac schien zu Beginn etwas gehemmt und blieb auch später, was Volumen, Nuancen und Ausdruck betrifft, innerhalb einer gewissen bescheidenen Bandbreite.

Von den vielen Mitwirkenden und Komparsen (Priesferinnen, Eume- neiden, Griechen und Wachen) seinen wenigstens die drei tanzenden Skythinnen hervorgehoben: Judith Gerber, Lilly Scheuermann und Theresia Karl.

Das Publikum war von Werk und Wiedergabe sichtlich beeindruckt und bedankte sich lebhaft (aber ohne Geschrei) für einen ebenso wichtigen wie glanzvollen Opemabend.

In einem der Pausenräume gibt es eine sehenswerte Ausstellung mit Bühnenmodellen und Figurinen zu Glucks „Iphigenie“ zu sehen.

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