6786775-1970_16_14.jpg
Digital In Arbeit

Im Geiste Brechts

Werbung
Werbung
Werbung

Im Stadttheater Klagenfurt zeigte der ostdeutsche Gastregisseur Dieter Bülter-Marell, wie man, an sich von der Tendenz her Unschmackhaftes, schmackhaft machen kann. Man muß nur Einfälle und die Fähigkeit haben, diese Einfälle in die Tat umzusetzen. An der Bert-Brecht-Kurt-Weill-Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ hat er es meisterhaft und in der Erinnerung nachwirkend demonstriert, wobei ihm, mit wenigem viel sagend, das Bühnenbild von Matthias Kralj sinnunterstreichende Stütze war. Bülter-Marell scheute vor nichts zurück. Er war aggressiv und setzte den grimmigen, oft in Kabarettnähe gerückten Humor zielbewußt ein, sich ohne Zögern auch der Zirkuskomik bedienend. Das reichte vom buchstäblichen Startschuß des Dirigenten Robert Filzwieser, der mit seinem hemdärmeligen Orchester ganz bei der Sache war und Weills teils frecher, teils bewußt Sentimentales betonender Partitur freudig ergeben schien, bis zum schwellenden Bauch des Fressers und zum parodierten Boxkampf. Wesentlich aber war, daß alles mittat und auch der kleinste Statist auf seine Weise eine Persönlichkeit wurde. So kam die Masse neben den Solisten voll zur Geltung.Es klappte stimmlich und es geriet darstellerisch.

Will man auf Einzelleistungen hinweisen, dann soll Kammersänger Edgar Wählte als erster genannt sein, ein Tenor von Format, ein Schauspieler von hohen Graden. Sein Jim — bei Brecht ist er noch als Paul Ackermann eingetragen — hatte etwas von der ihm zukommenden Tragik. Heben wir, ehe wir zu den Damen kommen, den Dreieinigkeitsmoses Wolf gang Schellenberg und den Bill Peter Branoffs hervor und sagen wir Franz Fächer Dank, daß er sich mit Humor k. o. schlagen läßt. Als Witwe Leokadja bot Lilly Pörner eine Glanzleistung; Härte und Abgebrühtheit der Gestalt gaben der Stimme den rollenmäßigen Ausdruck. Als gelangweilt-sinnliche Schlampe Jenny fiel Hildegard Hei-chele auf; ihr „Denn wie man sich bettet, so liegt man. Es deckt einen keiner da zu. Und wenn einer tritt, dann bin ich es. Und wird einer getreten, dann bist's du!“ war von Brecht signiert.

Zusammenfassend: die bisher stärkste Regieleistung, die wir in diesem Jahre in Klagenfurt zu verzeichnen hatten, und durch sie der Erfolg!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung