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Seelenspiegel

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Die ganze Problematik von Lite- raturverfilmųngep. offq g jri wieder einmal, wenn man Luchino Viscontis filmische Version-Von Albert Camus’ Roman „Der Fremde” betrachtet. Gerade bei einem Autor wie Camus, der einen ganz besonderen Erzählstil aufweist, mußte es bei der Verfilmung zu Schwierigkeiten kommen. Interessanterweise „stimmt” der Film während der gesamten Exposition ziemlich genau, das heißt, so lange wie der Regisseur braucht, um die einzelnen Personen und ihre Haltung oberflächlich zu machen. Das gelingt — es ist ja Viscontis Spezialität — bei jedem Charakter mit ein paar kurzen Sequenzen, ja manchmal auch in zwei bis drei Einstellungen. Da ihm die epische Breite der literarischen Vorlage nicht zur Verfügung steht, bemüht sich Visconti erst gar nicht um diese, sondern springt unbekümmert über Zeit und Raum hinweg — sehr zum Vorteil einer erzählerischen Prägnanz.

Der Stilbruch tritt dann ungefähr in der Hälfte des Streifens ein, als die psychologische Studie unvermittelt zum Prozeßfilm und stellenweise zur gesellschaftlichen Karikatur umschwenkt. Dies ist zwar nur ein Stilmittel des Regisseurs, der eben gerade durch diese Übersteigerung klarmachen will, wie sehr sein Protangonist als „Fremder” mitten in einer Gesellschaft steht, die er nicht versteht und die ihn nicht verstehen will. Ob das aber auch deutlich genug herausgearbeitet wird? Kameramäßig sicher, denn die Bildsprache der beiden Kameramänner Giuseppe Maccari und Mario Capriotti kommt den Intentionen von Autor und Regisseur in jedem Detail ideal entgegen. Weniger jedoch durch die Besetzung. Marcello Mastroianni gibt den Meur- sault mit der bei ihm gewohnten müden Apathie, die zwar dem Rollencharakter durchaus angemessen ist, jedoch nicht gerade zu dessen besserem Verständnis beiträgt. Es wird dem Zuschauer nicht leichtgemacht, die inneren Empfindungen dieses schwierigen Menschen zu verstehen; wer den in Ich-Form abgefaßten Roman kennt, hat hier dem Kinobesucher einiges voraus. Und damit wieder zur anfangs erwähnten Problematik: Der Versuch Viscontis, mit seinem Film den Spiegel seelischer Empfindungen eines Außenseiters der Gesellschaft zu geben, ist nur unvollständig geglückt, da es nur teilweise gelungen ist — und möglich war — die subjektive Sicht des Romans beizubehalten.

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