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Brisante Ladungen

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Gar nicht sommerlich leicht, sondern mit hochexplosivem Kabarettsprengstoff kommt uns Regisseur und Darsteller in einem, Kurt So-botka, und das ,^Kärntnertor-Theater“'-Ensemble im neuen Programm „Wer fürchtet sich vorm Zeitventil“?. Daß nicht alle Nummern gleich gut gelungen sind, ist teils verständlich (welches Kabarettprogramm besteht schon ausschließlich aus Glanznummern?), teils verwunderlich, handelt es sich hier doch um eine Folge der besten Nummern aus der Fernsehserie „Zeitventil“. „Ist der Dackel ein Bernhardiner?“ war im Fernsehen sicherlich nur eine Doppelconference Bronner-Wehle, hier gibt sie sich als äußerst schwach-brüstiger Sketch um die „Zugehörigkeit“ Österreichs zur deutschen Nation. „Mobilgemachtes“ erzählt eine wahre Begebenheit aus der in Blüte stehenden österreichischen Hochbürokratie und ist in der dargebotenen Form aber eher ein komischer Tatsachenbericht als eine Nummer fürs Kabarett, das ja aus der Verklausulierung Heiterkeit erzielt. Der Song „Das Maurerblümchen“ — von Sobotka übrigens typgerecht vorgetragen — handelt von Österreichs vielgeschmähten Maurern, die zwar auch heute noch langsam arbeiten, was aber nun wohl schon hinlänglich verulkt wurde. Der „medizinische Eingriff“ bietet nicht einmal Ansatzpunkte zu einer guten Kabarettnummer.

Damit endet aber auch schon die Kritik an einem Programm, das immerhin aus 19 Nummern besteht. Der Rest des Abends bietet dem Zuschauer nämlich bestes Kabarett, den Darstellern mannigfaltige Möglichkeiten, Komödiantentum zu zeigen und Originalität zu entfalten. Peter Orthofer wirbt als Conferencier mit studentischem Unschulds-lächeln um die Gunst des Publikums, die Damen Schmied und Leyrer sind am besten in der verträumt-kitschigen Nummer „Die Werbung“, Erich Frank als gewichtiger und Gerhard Steffen als untergewichtiger Gegenspieler finden ihre dankbarsten Aufgaben im bäuerlichen Milieu („Das ökonomische Konzil“), Peter Frick — ein Gesicht, das man sich merkt — erntete Szenenapplaus als deutscher Urlauber, und Kurt Sobotka weist als Darsteller im „Nationalhymnus für eine Singstimme“ besonders nachdrücklich auf sich hin. Als Regisseur tat er dies in jeder Nummer durch eine einfallsreiche Transponierung der Fernsehsketches auf die Bühne, durch zahlreiche liebevollboshafte Details und eine ausgezeichnete Choreographie. Den absoluten Höhepunkt erreicht das Programm mit der im Fernsehen nicht gezeigten Filmreportage von der Sammlung für den Eichmann-Gehilfen Nowak und der Nummer „Turnväter und Söhne“. Wer die beängstigende Stille miterlebt hat, die bei diesen beiden Nummern im „Neuen Theater am Kärntnertor“ herrscht, weiß, daß das Kabarett als künstlerische Aussageform auch heute seine Berechtigung hat.

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