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Das puritanische Amerika

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Der letzte Puritaner. Das puritanische Amerika. Von George Santayana. (Band 99 der „Bücher der Neunzehn“). Biederstein-Verlag, München. 679 Seiten. Preis 12.80 DM.

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Der letzte Puritaner. Das puritanische Amerika. Von George Santayana. (Band 99 der „Bücher der Neunzehn“). Biederstein-Verlag, München. 679 Seiten. Preis 12.80 DM.

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Santayana. spanischer Adeliger, in den USA als Professor an der Harvarduniversität lehrend und schließlich in Europa gestorben, wäre in diesem Jahr hundert Jahre alt geworden,

Das vorliegende Buch, bereits ein Klassiker der Weltliteratur, stellt den einzigen Roman des Verfassers dar. In einer Art von abnehmender Abstraktion versucht der Philosoph Santayana seine Kritik des amerikanischen Puritanismus in der ostentativen Form einer Romanhandlung darzustellen. Der nordamerikanische Puritanismus mit seinen starren Konventionen und seinem Unvermögen, sich gegenüber dem ökumenischen und dem, was er für „Wissenschaft“ hält, geistig und in seinem Lebensstil zu emanzipieren, erfährt im Werk des Autors eine Personifikation in einem jungen Millionärssohn, der an sich das geistige Erbe der Schichte, der er entwachsen ist, in Reinheit vollziehen kann.

Es ist eine harte Kritik, die Santayana vollzieht, fast ein Gericht, das sich aber in einer vollendeten sprachlichen Form niederschlägt, mit einer uns heute ungewohnten Sparsamkeit der sprachlichen Effekte.

Das puritanische Amerika ist in Liquidation, jenes Amerika, das von sich annahm, daß Gott Moses und Christus lediglich nur deswegen auf die Erde gesandt habe, damit es die vordersten Sitze in dem neuerbauten Welttheater einnehmen könne (Seite 363). Das Amerika von heute entledigt sich eines Moralsystems, das eine philosophische Wahrheit nur in der Etikette von Bibelsprüchen gelten lassen wollte, es entledigt sich der harten Disziplin, in der die Väter gehalten wurden, in vatermörderischen Exzessen und in einem hysterischen Anderssein. Auch dadurch, daß es — eine Episode — einen Katholiken zum Staatsoberhaupt wählte, um das Ende des Puritanismus auch in den Regionen des Politischen anzudeuten. Santayana avisiert dieses Ende einer aus ökonomischen Antriebskräften bestimmten und ökonomisch durchaus praktikabel gewesenen gesellschaftlichen Haltung, indem er das Verhalten seines Helden bereits, angesichts der gegebenen Bedingungen, als absurd hinstellt.

Der Roman kann als Entwicklungsroman klassifiziert werden, der viele Ähnlichkeiten mit dem „Zauberberg“ und, in der Schilderung der Situation, mit Roger Martin du Gards „Sommer 1914“ hat. Anderseits ist das Buch, auch da, wo es sich in seiner Handlung verdichtet, nicht zuerst .Roman, sondern stets ..Abrechnung“ eines Mannes, der sich seines Katholizismus trotz aller Bemühungen nicht entledigen konnte. Der „katholische Atheist“ Santayana wird durch den Puritanismus provo- ziert und bekenrit sich über den durch den Puritanismus provozierten Widerspruch zu einem Katholizismus, von dem er sich zumindest das Lebensgefühl, die Heiterkeit der Weltinterpretation, das ‘„Sündigendürfen“ angeeigfiet hat.

In der Handlung verkörpert Oliver das puritanische. Prinz’ip, das ihm nur noch eine Summe von Verhaltensweisen ist, und sein Vetter Mario das Katholische, wenn auch in einer eigenartigen Weise der Darstellung. . Oliver zerbricht an seinen Fehl- .. interprefationen, an seiner Unfähig- . keit, Kontakte zu finden, die vom ‘ Herzen her verklammert sind: daran, daß es ihm nicht gelingt, die Welt als eine heitere und dem Menschen nicht in allen Prozessen vorhersehbare zu erkennen.

Das Buch ist ein großangelegtes, freilich nur für den reifen Leser geeignetes Werk, eine meisterhafte Auseinandersetzung zwischen dem „lasterhaften“ Katholizismus eines Mario und der perfekten und um so langweiligeren Tugendhaftigkeit eines Oliver.

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