"Dionysien" an einem Abend

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Spiel und Tanz

Links: "Prometheus" mit Christoph Wieschke und Britta Bayer. Rechts: Márcia Jaqueline in "Medea -Der Fall M." als die Vorgeladene. Unten: George Humphreys als Kreon und das Ensemble in "Oedipus Rex".

Es sollte ein "Theaterspektakel wie in Griechenland" werden - das wünschte sich das Landesheater Salzburg von den "Dionysien", einem Abend mit Schauspiel, Oper und Tanz. Genauer: mit Aischylos' "Gefesseltem Prometheus", der "Medea" von Euripides als Tanzinszenierung: "Der Fall M.", mit "Oedipus Rex": das Opern-Oratorium nach Sophokles von Igor Strawinsky und Jean Cocteau, und schließlich mit dem "Frieden" als heiterem Partyabschluss an die Komödie von Aristophanes' "Frieden" anschließend. Drei Tragödien und eine Komödie also, wie bei den antiken Theaterfesten, aber nur an einem Abend.

Der Abend beginnt mit Aischylos' "Der gefesselte Prometheus". In der Felsenreitschule, dem Ort des vierstündigen Geschehens der "Dionysien", macht sich Hephaistos widerwillig daran, seinen unglückseligen Verwandten, selbst ein Titan, an den kaukasischen Felsen, eine Metallwand vor den Galerien (Bühnenbild: Stefanie Seitz) zu schmieden. Zeus, dem obersten der Götter, hatte es missfallen, dass Prometheus mit dem vom Schmied Hephaistos gestohlenen Feuer die Menschen beglückt und ihre Emanzipation von der Götterwelt, wenn man will: ihre Aufklärung, in die Wege geleitet hat. Diesen Frevel soll Prometheus nun auf ewig büßen.

Christoph Wieschke, der Prometheus, fordert Zeus aber immer wieder aufs Neue heraus, er schlägt die wohlmeinenden Empfehlungen des Okeanos (Georg Clementi, gleichzeitig Hephaistos) und des Hermes (Sascha Oskar Weis) und der bremsengeplagten Kuh Io (Nikola Rudle) aus, die ihn von seinen Fesseln befreien wollen. Dazwischen agiert der Chor der Okeaniden in der Gestalt von Britta Bayer.

Der Regisseur der Schauspiele und der Oper des Abends, Carl Philip von Maldeghem, bedient sich einer Bearbeitung und Übersetzung des Aischylos-Dramas von John von Düffel, der die entscheidenden Argumentationsstränge klar herausgearbeitet und damit flüssiges, nicht langatmiges Agieren möglich gemacht hat.

Der zweite Teil des Abends ist eher problematisch ausgefallen. Das "Medea"-Ballett, auch "Der Fall M." genannt, ist eine Choreografie des Brasilianers Reginaldo Oliveira. Er präsentiert eine 2014 für das Badische Staatstheater realisierte Choreografie "Der Fall M.", der wenig von der Wucht des antiken Medea-Mythos' anhaftet. Es handelt sich eher um eine Gerichtssaal-Reportage mit Geschworenen und uneinsichtigen Beschuldigten nach der Anklage wegen Kindsmords. Es ist, ein wenig weit hergeholt, das Thema des einzelnen Verantwortlichen gegen die Gesellschaft. Von den großen Emotionen der Medea-Saga ist wenig vorhanden. Das schlägt sich natürlich auch im Stil der Choreografie nieder, die - ganz anders als bei Peter Breuers "Medea" vor vielen Jahren -unterkühlt und distanziert wirkt. Die Musik dazu stammt von Alberto Iglesias, Lea Auerbach und Max Richter.

Der Höhepunkt des Abends in Salzburg ist 'Oedipus Rex', das Opern-Oratorium von Igor Strawinsky mit dem Libretto von Jean Cocteau in lateinischer Sprache .

Bis ins letzte Detail ausgefeilt

Márcia Jaqueline tanzte in der Premiere die Vorgeladene, eine enorme Spitzentänzerin, ebenso wie Larissa Mota, die Geliebte des Gefährten, und Flavio Salamanka, der Gefährte der Vorgeladenen. Es geht dabei um die Geschichte von Jason und Medea, man kann sie, etwa tiefenpsychologisch-introvertiert deuten wie hier, und nicht emotional. Es ist die Frage, welche Deutung dem antiken Stoff gerechter wird. Jedenfalls scheint mit Oliveira ein neuer Stil in das Tanztheater gekommen, wobei man auf die nächsten für das Haus eigenständige Produktionen gespannt sein kann.

Die einstündige Pause am griechischen Buffet überspringend - wiewohl sie Teil der Inszenierung der "Dionysien" ist -steht dann der Höhepunkt des Abends an: "Oedipus Rex", das Opern-Oratorium von Igor Strawinsky mit dem Libretto von Jean Cocteau in lateinischer Sprache (mit deutschen Übertiteln). Dennis Russell Davies dirigiert das Mozarteumorchester Salzburg, Chor, Extrachor und Mitglieder des Philharmonia Chores Wien und das Ballett des Landestheaters zeigen eine bis ins letzte Detail ausgefeilte und engagierte Aufführung.

Oedipus, der Theben von der Sphinx befreite, soll nun auch die Pest von der Stadt abwenden, fleht der Chor. Oedipus gelobt, das zu tun, da aber greift das Schicksal ein. Hirte, Bote und der Seher Teiresias erhellen langsam das Dunkel, das über Oedipus' Lebensweg liegt. Ein Politiker, der sein Land retten will, erfährt, dass er selbst die Ursache allen Übels ist. Er blendet sich.

Chor und Ballett haben zu oft und zu viel zwischen Sprossen eines in Quadrate geteilten Bodens hin-und herzusteigen und zu turnen -offensichtlich als Kontrast zu dem, was Strawinsky in seiner Musik als das Statische im Rhythmus bezeichnet, "auf die gleiche Weise wie Sophokles".

Die "leidvollste Gestalt der griechischen Bühne"(Nietzsche), den König Oedipus, singt Roman Payer untadelig, Aude Extrémo ist seine Frau und Mutter Jocasta, die das Explosive für diese Partie mitbringt. Die Wahrheitsfinder Teiresias, Hirte und Bote sind: überzeugend James Moellenhoff, assistiert von Gürkan Gider und Raimundas Juzuitis. George Humphreys als Kreon hatte nicht seinen besten Tag. Sascha Oskar Weis erläutert als Sprecher, was stattfindet.

Bleibt "Der Frieden" nach Aristophanes -mehr als Kalauer und weniger als Komödie angelegt. Hier ist das Personal des "Prometheus" am Werk, um persiflierend und im Stil von Kabarett das immer wichtige Thema vom Frieden an eine lustige Jugend-Party mit Tanz zu vergeben. Die Götter fliehen die Rechenschaft für den Krieg und der attische Landsmann Trygaios (Tim Oberließen) muss zusehen, wie er den Frieden auf die Erde zurückbringt.

Das ist das Ende der vierstündigen Bemühung um "Dionysien. Theater. Spektakel. Rausch".

Dionysien. Theater. Spektakel. Rausch. Landestheater Salzburg, 18., 21. Nov.

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