Du Musst Dich Entscheiden.jp - © Foto: Marcel Urlaub / Volkstheater

„Du musst dich entscheiden!“ im Volkstheater: Bälle- statt Stahlbad

19451960198020002020

Das Stück unter der Regie von Kay Voges ist eine maue Medienpersiflage.

19451960198020002020

Das Stück unter der Regie von Kay Voges ist eine maue Medienpersiflage.

Werbung
Werbung
Werbung

„Fun ist ein Stahlbad“, wusste schon Theodor W. Adorno und machte damit der Unterhaltungsindustrie den philosophischen Garaus. Der Volkstheaterchef Kay Voges verwandelte nun sein Haus in genau eine solche Hölle kapitalistischer Massenkultur. Gemeinsam mit dem Rektor der Akademie der bildenden Künste Wien, Johan Frederik Hartle, schwelgte er bei der Uraufführung von „Du musst dich entscheiden!“ in Retrofernsehmomenten und knackigen Philosophensprüchen. Die aufwendig produzierte „Gameshow für Österreich“ erinnert an eine überhitzt gestaltete Powerpoint-Präsentation, Platz für eine kritische Reflexion aktueller Gesellschaftsfragen fehlt. Der Imperativ des Abends lautet: Hüpfen! Nach dem Vorbild der Kindershow „1, 2 oder 3“ müssen sieben Kandidaten die per Onlinevoting eintreffenden Entscheidungen des Publikums erraten und dazu auf die passenden Antwortfelder springen. Die Fragen sind weit gefasst. „Hat Putin den Tod verdient?“ „Darf man mit Rechten reden?“ „Wie steht’s um Solidarität, Klimabewusstsein, Othering und die österreichischen Steuergesetze?“ Die Mehrheit der Zuschauer entscheidet sich bei den provokant formulierten Fragen meist für die skandalfreiste Antwortmöglichkeit.

Breit gefasst ist auch das in grellbunten Lycra-Einteilern gekleidete Teilnehmerfeld: Eine musikverliebte Asiatin, ein traditionsbewusster Kärntner, ein Bobo-Pärchen aus Graz, eine engagierte Aktivistin und Ossi Rico mit Ehefrau Nilufar machen sich daran, die millionenschwere Gewinnsumme zu ergattern. Für Auflockerung sorgen Musikeinlagen, Denkimpulse Friedrich Schillers, dessen computeranimiertes Gemälde kluge Sprüche klopft, und die per Videoschaltung zugespielten kritischen Geister „Morla“-Adorno und Indiemarx (Bettina Lieder und Christoph Schüchner). Zu guter Letzt müssen zwei Kandidaten eine emotionale Außenwette absolvieren und dazu den eigenen Audi quattro mitsamt Insassen sowie einen geliebten Pferdewagen zerstören.

Lichtblicke des Abends ist neben Uwe Schmieder als ostdeutschem Verlierertypen, der weder dem Alkohol noch häuslicher Gewalt abgeneigt ist, das Moderatorenpärchen Elias Eilinghoff und Anke Zillich. Überzeugend geben sie als Tommy und Michelle die anschmeichelnd-schmierigen Fernsehprofis, denen sogar eine Kotztirade nicht die Eloquenz nehmen kann.

Etwas weniger Fun und etwas mehr Inhalt hätten dem Stück gutgetan. Technisch und schauspielerisch einnehmend bleibt diese Inszenierung über weite Strecken vorhersehbar und langweilig. Zu Christoph Schlingensiefs Zeiten noch hochbrisant, wirkt diese fast dreistündige Medienpersiflage zu harmlos und aus der Zeit gefallen. Geboten wird nicht mehr als ein lustiges Plätschern im Bällebad (das am Ende auf die Schauspieler niederprasselt); „ich kann nicht mehr“, lautet der vieldeutige Schlusssatz dieser wenig überzeugenden Premierenvorstellung.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung