All right, good night. - © Foto: Merlin Nadj-Torma

Fliegende Gedanken, abstürzende Maschinen: "ALL RIGHT. GOOD NIGHT" im Volkstheater

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Der mysteriöse Absturz der malaysischen ­Passagiermaschine am 8. März 2014 ist Ausgungspunkt für ein berührendes Klangtheater.

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Der mysteriöse Absturz der malaysischen ­Passagiermaschine am 8. März 2014 ist Ausgungspunkt für ein berührendes Klangtheater.

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„All right, good night.“ Mit diesen Worten soll sich der Pilot der MH370 am 8. März 2014 von der Bodenstation verabschiedet haben. Was danach geschah, zählt zu den größten Rätseln der Luftfahrtgeschichte und noch ­immer wird nach Antworten zum mysteriösen Absturz der malaysischen ­Passagiermaschine gesucht.

Die Katastrophe ist Ausgangspunkt der jüngsten Theaterarbeit von Helgard Haug, Teil der ­Künstlergruppe Rimini Protokoll, die nach der Uraufführung in Berlin nun am Wiener Volkstheater zu sehen ist. Die Koproduktion von Rimini Protokoll, Volkstheater, Hebbel am Ufer und weiteren internationalen Partnern wurde bereits für zahlreiche Auszeichnungen, etwa für den Mühlheimer Dramatikpreis, nominiert. Haug verschränkt das unerklärliche Verschwinden der MH370 und seiner 239 Personen an Bord mit dem schleichenden Gedächtnisverlust ihres eigenen Vaters. Gemeinsam mit der Elektropopmusikerin Barbara Morgenstern und dem Zafraan Ensemble hat sie für „ALL RIGHT. GOOD NIGHT.“ ein berührendes Klangtheater geschaffen.

Gleich zu Beginn stehen die Musiker mit ihren Instrumenten – wie zum Boarding bereit – auf der Bühne. Davor, auf einem durchsichtigen Bühnenvorhang, nehmen die Ereignisse als Textprojektionen ihren unheilvollen Lauf. Zunächst sind es nur Verdachtsmomente. Die Kontaktaufnahme mittels gefunktem „Handshake“ zwischen Flugkontrolle und Cockpit schlägt fehl, Haugs Vater verschickt an sein Enkelkind vier Geburtstagskarten mit gleichem Inhalt. Den Enkel freut’s: „Besser als keine Karte!“ Ungewissheit macht sich breit, die ­Boeing bleibt verschollen, die geistigen Kräfte des Vaters schwinden.

Dazwischen hoffnungsvolle Szenen. Das Forschungsschiff „Ocean Infinity“ durchsucht Teile des indischen Ozeans. Der Vater blüht in seiner Demenz-WG auf und schmettert am Mittagstisch das Lied „Die Gedanken sind frei“. Hörend und lesend nimmt man an den Berichten Anteil und wird dabei Wort für Wort, Note für Note immer stärker in die ­Geschichten hineingezogen.
Rimini Protokoll verhandeln Themen im Spannungsfeld von persönlichen Erfahrungen und gesellschaftlichen Ereignissen. Mittels Recherchen und Interviews entstehen komplexe Aufführungen zwischen Dokumentation und Spiel. In ihrer Ästhetik sind sie schon immer stark vom Hören und Hörspiel geprägt. Dieser Abend nährt sich bis auf den projizierten Text fast ausschließlich aus den ambienthaften Klängen des Orchesters, das sowohl live als auch über Tonkonserve spielt, sowie aus Versatzstücken von Stimmen und O-Tönen aus dem Off.

Der Einsatz akustischer Mittel führt fast zwangsläufig zu starker Emotionalisierung. Gleichzeitig distanziert die schriftliche Vermittlung vom Geschehen. Genau diese Mischung aus Distanz, Präsenz, Emotion macht die Aufführung zu einem spannungsvollen Theatererlebnis.

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