Zwischenspiel - © Herwig Prammer

"Man hört das Knarren der Maschine"

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Maria Köstlinger (Cäcilie Adams-Ortenburg) und Bernhard Schir (Amadeus Adams) exerzieren Arthur Schnitzlers Experiment der „Neuen Ehe“ durch.

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Maria Köstlinger (Cäcilie Adams-Ortenburg) und Bernhard Schir (Amadeus Adams) exerzieren Arthur Schnitzlers Experiment der „Neuen Ehe“ durch.

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Lässt sich eine offene Ehe dauerhaft verwirklichen? Arthur Schnitzler, Arzt und Seelendichter, nannte das Experiment „Neue Ehe“. Mit der Frage beschäftigt, verfasste er eine „Komödie der Gefühle“, die unter dem Titel „Zwischenspiel“ 1905 am Burgtheater uraufgeführt wurde. Seit Donnerstag ist das Konversationsstück am Theater in der Josefstadt zu sehen. Regisseur Peter Wittenberg vermag die fehlende Verve nicht auszugleichen, so ist das Thema zwar weiterhin aktuell, die Ausführung aber schwach. Der zentrale Konflikt resultiert aus dem Bedürfnis des Protagonisten nach sexueller Abwechslung. Er, das ist der Komponist und Pianist Amadeus Adams, begehrt seine Gesangsschülerin Gräfin Friederike Moosheim (Silvia Meisterle). Um sein Gewissen zu beruhigen, schlägt er seiner Frau, der erfolgreichen Sopranistin Cäcilie Ortenburg, eine offene Ehe vor. Er möchte weder die Annehmlichkeiten der Ehe verlieren noch den Austausch mit der ebenbürtigen Künstler-Gattin, zugleich will er nicht auf Abenteuer verzichten.

Unter der Vorgabe des Wahrheitsanspruchs als moralischer Kategorie fordert Amadeus nun absolute Offenheit. Dabei bedenkt er nicht, dass auch Cäcilie, die vorerst gekränkt und erstaunt über den Vorschlag ist, eigene Interessen verfolgen könnte. Cäcilie feiert nun nicht nur unabhängig von Amadeus künstlerische Erfolge, sie entwickelt auch eigenes Begehren. Dass sich dieses nicht auf den Ehemann richtet, ist eine Konsequenz, mit der Amadeus nicht gerechnet hat. In der Umstrukturierungsphase des beginnenden 20. Jahrhunderts wird auch die Institution der Ehe neu definiert, nämlich als Privatvertrag auf der Basis wechselseitiger Neigung. Liebe ist die Grundlage und nicht sozial-ökonomische Abhängigkeit. Dazu zählt auch Amadeus’ Wahrheitsanspruch, der jedoch nichts anderes als eine Laune des Moments ist.

Auf der Bühne der Josefstadt werfen Wände aus Spiegelglas die Figuren auf sich selbst zurück, sie entwerfen aber auch neue Bilder und Perspektiven auf den jeweils anderen. Bernhard Schir demonstriert die Eitelkeit des selbstgefälligen Patriarchen, der eine Moral in Frage stellt, der er selbst am Ende unterliegt. An seiner Seite ist Maria Köstlinger als besonnene Cäcilie zu sehen, die ihn durchschaut, aber nicht ahnt, was die neu gewonnene Freiheit mit ihr macht. Und so entscheidet sie sich schließlich für die Trennung. Auf einer Metaebene diskutieren Amadeus und der Dichter Albertus Rhon (Joseph Lorenz) das Problem von Harmonie und erotischer Kraft, auch diese Momente wirken konstruiert. Immerhin gibt Martina Stilp als naive Marie Rhon der Inszenierung Schwung. Nach der Uraufführung vermerkte Schnitzler in seinem Tagebuch: „Es ist im ganzen doch ein schwaches Theaterstück. Man hört das Knarren der Maschine beinahe immer.“ Sein selbstkritisches Urteil gilt bis heute.

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