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Das Thema von Liebe und Tod

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In seinen Theateranthologien bringt der Verlag im „Theater der Jahrhunderte“ Stoffe und Figuren nach Motiven ausgewählt, hier also das große Liebespaar „Orpheus und Eurydike“. Und zwar seit der Wiedererweckung der beiden Liebenden in der Renaissance durch Polizano. Eine umfassende Einleitung, aus der Feder Karl Kerenyis, stellt die Verbindung zur Antike her, zu den mythischen Quellen und Kreisen, aus denen die vielschichtige Gestalt des Orpheus erwuchs. Das Zentrum des Dramas wird natürlich eingeschränkt auf das Thema von Liebe und Tod. Wie sehr damit auch ein Zentralanliegen der neueren Dichtung getroffen ist, muß nicht erst erwähnt werden. Ursprüngliche Themen, nicht bloß der Dichtung, auch der Philosophie, werden von jeder Epoche neu entdeckt, interpretiert, gelöst oder auch nicht gelöst. Wie sehr ist auch die historische Akribie von solchen Auseinandersetzungen abhängig, obwohl sie es nicht wahrhaben möchte! Gerade daran aber bewährt sich die Größe gewisser Geister, ob sie nun Aristoteles oder

Thomas von Aquin oder Orpheus und Eurydike sind, daß sie lebendig bleiben und zur Stellungnahme herausfordern und auch so oder so interpretiert werden. Wer kann entscheiden, welches die richtige Interpretation ist? Leerer Streit sich befehdender Schulen. Schon gar, wenn es um Mythologie geht. So haben wir in der gebotenen Dramenreihe, wie bei allen großen Motiven, einen Spiegel der Jahrhunderte vor uns: die erlösende, nicht erlösende, leichtfertige, leidenschaftliche, aufwühlende, befreiende, und wie man sie noch nennen mag, Macht der Liebe, ihre gläubige erlösungsmächtige Liturgie bei Calderon, ihr frivoles Spiel bei Offenbach, ihre Verfallenheit bei Kokoschka, ihre rührende Menschlichkeit bei Anouilh. Wie gut, daß er das Schlußwort hat und nicht die artistischen Spiele Cocteaus. Wohl schließt Anouilh: „Orpheus ist bei Eurydike. Endlich!“ doch ist das kein Abschluß des Themas, sondern er formuliert es wiederum so, daß wir es als ein immer neu aufgegebenes erfahren.

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