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Irrgärten der Liebe

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Shakespeare hat in „Viel Lärm um nichts” mehr und logischere Prosa geschrieben als in den praktisch gleichzeitig entstandenen Meisterlustspielen „Was ihr wollt” und „Wie es euch gefällt”. Die Paare sind hier eher Märchenflguren, die dem Herzen näherstehen als den Sinnen; dort dagegen sind die Herrschaften aus Messina trotz der konstruierten und einfältigen Handlung Menschen aus Fleisch und Blut. Was aber allein die Begegnung von Benedikt und Beatrice zu unsterblichem Theater werden läßt, ist das köstliche Gewebe wunderbarer Worte, die Shakespeare über die Dialoge der beiden Witzigen, Spröden gebreitet hat. Shaw verglich diese Wortmusik mit der Musik Mozarts, wie sie das derbe Libretto des „Don Giovanni” in ein zauberhaftes menschliches Drama der Stimmungen und Gefühlsskalen verwandelt. Man darf den ernsten Kern des Lustspiels: die unschuldige, In ihrer Ehre gekränkte, zu Unrecht verlästerte und verstoßene Braut Hero nicht überbetonen. Der Titel deutet schon an, daß es sich um ein „Nothing” handelt. „Man is a giddy thing”, sagt Shakespeare, ein schwankendes, schwindeliges Ding, das aus Worten lebt, den Worten verfallen, jeden Augenblick ein anderes, ein Etwas, das man nicht ernst nehmen darf in einer Welt des Spiels. Und wenn der Prinz zu Beatrice sagt, sie sei „in einer lustigen Stunde geboren”, so hat sie eine noch schönere Antwort, in der sich der Geist über die Erdenschwere erhebt: „.,. meine Mutter weinte. Aber es tanzte eben ein Stern, und unter dem bin ich zur Welt gekommen.” Unter hellem Lachen öffnen sich die dunklen Tore, hinter denen die Geheimnisse und bitteren Erkenntnisse des Daseins ruhen; es überstrahlt das Spiel mit dem Glanz überlegen-männlicher Heiterkeit. Selbst Prinz Don Juan, der das Unheil anzettelt, ist bloß ein Lustspielbösewicht, der stets mit einem Gesicht umherläuft, „daß man Sodbrennen bekommt, wenn man ihn ansieht”. Eis ist eine seichte, unschädliche, eitle Bosheit, die sich nur in selbstgefälligen Tiraden und Schaustellungen gefällt. Mit welcher Ironie Shakespeare die Dinge betrachtet, beweist die Nachtwächtergruppe, die zu den am meisten englischen Charakterschöpfungen Shakespeares gehört. Die urkomischen Tölpel Holzapfel und Schlehwein, die Clowns des Stückes, enthüllen das Treiben der Taknibösewdchter.

Abseits der Manie, jede Hauptfigur Sheakespeares sogleich auf ihren philosophischen Stellenwert hin zu deuten, wahrt Rudolf Steinboeck in seiner beschwingten Neuinszenierung im Burgtheater von Anfang bis Ende den heiteren Unsinn des Spiels. Aglaja Schmid und Sebastian Fischer geben das „intellektuelle” Liebespaar, zwei vollblütige, geistreiche Geschöpfe, deren Witz aus einem guten, geraden Herzen kommt. Helma Gautier ist die bescheidene, etwas bläßliche Hero, Heinz Ehrenfreund der nette und zugleich törichte Claudio. Fred Liewehr und Heinz Woester verkörpern voll Würde Don Pedro und Leonato. Ein wenig opernhaft karikiert erscheint das Trio der Bösewichter: Stendar, Gasser, Giesecke. Mitreißend die Blödelei der Gerichtsdiener: Peter Strie- beck und Hermann Thimig. Ein Gesamtlob für das übrige Ensemble und für Bühnenbilder und Kostüme (Fritz Butz). Der starke Beifall galt einem schönen, durchaus gelungenen Theaterabend.

Bei aller Wahrung des Unterschiedes der Epochen und des Ranges zwischen dem Genie der Weltdramatik und einem meisterhaften Handwerker, einem Magier des modernen Theaters, ist eine Leitlinie von Shakespeare zu Jean Anouilh denkbar, von Beatrice und Benedikt über Romeo und Julia, Troilus und Cres- sida zu Romeo und Jeanette, Eurydike und Orpheus in Anouilhs „Eurydike”. In allen Fällen geht es um die Archetypik hoher Liebe und um die dunkle Gegenmacht, die dem Glück der Irdischen feindlich ist. „Euridice” ist ein „piece noire”, das Scheitern der Liebe zwischen Orpheus und Eurydike übertragen in die Welt des Heute und Gestern. Orpheus ist ein fahrender Musikant, Eurydike eine kleine Wanderschauspielerin. Als sie ihn im Wartesaal eines Provinzbahnhofes Geige spielen hört, ist sie ihm verfallen in unbedingter Liebe, die schon Abschied und Tod in sich birgt. Ein Dichter findet im Mitmenschen die großen Urbilder. Herrlich, wie er die Wirklichkeit des Heute in das Traumspiel der Sage auflöst, wie Orpheus seine Eurydike in einer Welt voller Gemeinheiten, Banalitäten und Lügen nicht halten kann, aber durch den Tod endgültig gewinnt.

Regisseur Edwin Zbonek vergröberte in der Inszenierung in der Kleinen Josefstadt die Poesie dieses nur mit viel Takt und Behutsamkeit zu realisierenden Stückes. Die junge Ingrid Kohr vermochte kaum annähernd die heftige, zarte, ungemein menschliche Rolle der Eurydike, eine seltsame Mischung von Unschuld, Lauterkeit und Verderbtheit, ziü verkörpern. Trotzdem gebührt ihr Anerkennung für die Leistung, „was auch für Alfred Reiterer als Orpheus gilt. Sehr gut Franz Messner als Freund Hein und Gevatter Tod, hier als Monsieur Henry im Habit eines Handslungsreisenden, sowie Gretl Elb als ältliche Komödiantin. Etwas derb, aber wirksam, Erich Nikowitz als der dumme, geschwätzige Vater des Orpheus, und Kurt Nachmann als jovial gemeiner Prinzipial einer Wanderschmiere. Erfreulich warmer Beifall eines von der Dichtung ergriffenen Publikums.

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