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Fabrik als Hades

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Die Sage von Orpheus und Eurydike hat von Polliziano bis Kokoschka, Cocteau und Anouilh zahlreiche Dramatisierungen erfahren. Heinz R. Unger allerdings, von dem wir die Stücke „Spartakus“ und „Proletenpassion“ kennen, schrieb unter dem Titel „Or- feus & Eurydike und die Glasperlenindustrie“ ein zwanzigteiliges Gedicht, das vom „Ensemble-Theater“ an der neuen Spielstätte, im Kleinen Theater im Konzerthaus, ins Szenische umgesetzt wurde. Unger bietet eine Paraphrase der Sage, die sich nur lose mit dem Überlieferten berührt.

Der Hades wird bei ihm zur Industriewelt mit ihren Sklaven, eine Welt der Schatten, in der jeddr sein kleines Gück sucht. Eurydike ist Arbeiterin in einer Glasperlenfabrik, Orfeus will sie befreien, was aber auf Dauer nicht gelingt. Es geht gegen die „Verhältnisse“, die „kastrierte Gehirne“ heischen, geht über Proudhon hinaus um eine Welt ohne Besitz, in der man weder von Dingen noch irgendwelchen Mächten besessen wird. Dialektik also? Nicht nur, tiefergreifeftde Aussagen, aufblühend Lyrisches gibt es immer wieder.

Läßt sich ein Gedicht szenisch um- setzen? Regisseur Dieter Haspel beweist es überzeugend. Es gibt in diesem Theater keine Guckkastenbühne mehr, sondern - Bühnenbild von Georg M. Resetschnig - einfach eine mit Rasenziegeln belegte Spielfläche, auf der eine junge Birke steht und ein an der einen Wand vielfach angebrachtes, überlebensgroßes Photo eines Mädchenkopfes. Der völlig geschlossene Text wurde zerteilt, es sprechen Orfeus, Eurydike, sechs Choristen gemeinsam oder auch einzeln. In jeder der zwanzig Sequenzen werden andere Stellungen eingenommen, meist auch andere Kleider getragen, es gibt Bewegungslosigkeit, besonders langsame Bewegungen, aber auch wieder natürliche, wozu jeweüs der Text anregt. Unterstützung durch Licht - mitunter Silhouettenwirkungen - und Musik. Die präzise Darbietung dieser überaus eindrucksvollen Choreographie ist das Verdienst aller Darsteller. *

Die Komödien von Hermann Bahr gehören zu den besten des deutschsprachigen Theaters. „Das Konzert“, seinerzeit ein Welterfolg, wird mit

Recht immer wieder aufgeführt - derzeit in den Kammerspielen. Wie da Ehekonflikte um den umschwärmten „Kammervirtuosen“ Heink im Bestreben gelöst werden, die Situation möglichst zu entschärfen, das wirkt durch Menschlichkeit im besten Sinn. So recht im Gegensatz zu unserer Zeit.

Nun wurden für die Aufführung zahlreiche Chansons von Hans Weigel eingefügt, deren noch unveröffentlichte, etwas konventionelle Melodien aus dem Nachlaß von Robert Stolz stammen. Die selbstredend gekonnten Texte stehen aber leider im Widerspruch zu den klugen, menschlich überaus gewinnenden Dialogen des Stückes, lassen deren Wirkung nicht recht aufkommen. Das Feinsinnige des Stückes, wohl untauglich für das Amüsement heischende Publikum der Kammerspiele, bedurfte offenbar zusätzlicher Attraktion. Den Darstellern unter der Regie von Axel von Ambesser, in den Hauptrollen Walther Reyer als Heink, Elfriede Ott als seine Frau, gelingt keine restlos deckende, dem Stück entsprechende Verkörperung der Gestalten. Ausnahmen nur in ein, zwei kleineren Rollen. Walter Hoesslin entwarf die beiden ansprechenden Bühnenbilder.

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Das „Makabarett“ ist eine Gruppe, deren Mitglieder stolz darauf sind, keine Profis zu sein. Nun führen sie im Theater am Belvedere ihre fünfte Produktion vor „Pavillon Austria“, eine kabarettistische Visite durch den Irrsinn unseres Alltags“. Die Texte schrieb fast zur Gänze Franz Berger, die Musik stammt von Gerhard Brey er. Gaben sie vordem einmal vor, eine Gangsterbande zu sein, die das Publikum als Geisel in Haft nahm, so sind sie diesmal Ärzte, Ärztin, Krankenschwester, das Publikum, aber auch sonstig zu Behandelnde und gleich auch ganz Austria, bilden die Patienten. „Makabarett“ bietet keine losen Nummern, die Devise „Neurologische Anstalt“ ermöglicht vielfältigen Anlaß, die Hypertrophie unserer heutigen Umwelt zu entlarven. Allerdings gibt es nicht wenig, was nur bemüht wirkt. Außer Texter und Komponist erweisen sich Ingrid Suk, Christiane Holler und Hans Vlcek als überaus ambitioniert.

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