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An die Geduld

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Wer aber hingibt sein Bestes, der ist unsterblich.

Die Augen vieler Geschlechter sind tröstlich gerichtet auf ihn,

Daß seines Herzens Kräfte stählern werden

Und biegsam wie eine Weide im Uferwind,

Und Geduld sich gütig neige

über Unrast und Jähzorn des Blutes.

Drum vor allem Geduld, ewige Hüterin, Halte die Hand über das eine, Das noch schlummert in mir Und dem ich mich täglich bereite,

Daß mir die Wimper nicht zuckt und sich der Mund verschließt, Wenn auch die Ader schwillt

Jäh beim Gelächter und Lippengekräusel des Unwerts.

Sie freilich stehen im Stolz

Und wägen die Macht, die ihnen gegeben;

Spielend gleiten fremder Schicksale bebende Fäden

Durch ihre übermütigen Hände.

Not des Leibes ist es, Weibes und Kindes wegen,

Die mich bindet, und Ungeduld quält oft,

Daß ich in Fiebern liege

Und nicht mehr glaube das Hohe, dem ich doch aufgespart,

Seit mir der erste Tag

Grau in die halbblinden Lider gespiegelt.

Dennoch ist Rettung in mir!

Denn innen im Herzen trägt jeder Anfang und Ende der Welt. Tiefer nur will ich mich neigen In deinen Schatten, schwer nahbare Kraft, Und wenn Verzweiflung mich blendet: Näher zu dir, daß nicht zu lang deine Flügel rasten. Tausendfältiges wirken die Menschen; Allen aber ist gleiche Berufung: Nicht zu halten das Herz, Das einsam ist und unselig, Sondern, Verschwender der Liebe, Auszulöschen sich selbst, wie eine Kerze man loscht, Und mit dem Sprung über den Abgrund — Droben die Sterne! — Einzugehn in ein seliges Du.

Auszuwarten sich selbst, ist der Beginn. Also ein Körnchen davon wirf in den wildesten Zorn, Und er wird schwelen dumpf, aber geheimnisvoll fruchtbar Wie der Hügel des Köhlers.

Aus dem Gedichtband: „Ausfahrt und Wiederkehr“, Verlag Erwin Müller, Wien.

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