6574691-1950_37_16.jpg
Digital In Arbeit

In uns lehtnock das Reich...

Werbung
Werbung
Werbung

In uns lebt noch das Reich, das von euch zerschlag'ne der Völker,

Ob wir uns wehren und leicht auch unser Erbe vertun.

Wer ermißt den Zerfall, und wer beschreibt das Geblieb'ne?

Er beschriebe die Luit oder der Träume Gewicht.

Denn dem Tage entrückt, den Eitelkeiten und Sünden,

Selbst der ihm eignen Kraft und jedem irdischen Maß

Wächst es verklärt in die Nacht: ein Licht, ein Schein, eine Röte,

Die wir nicht deuten. Es sei denn schon der kommende Tag.

Wer begriff dieses Gebild, als es noch unter uns war und fordernd

Werkte und herrschte und nah noch dem gemeinen Gebrauch?

Wer verhöhnte es nicht als Kerker der Völker, als Haufen,

Dem ein Greis noch gebot wider Vernunft und Gesetz?

Wer noch hatte ein Maß, das Unmeßbare zu messen?

Oder die sanfte Gewalt zwischen Gebrüll und Gedräng?

Wer ertrug seinen Geist und den Widersinn der Vermengung,

War doch ein Gott nur im Blut wirklich und stark und gerecht!

Wer beschrie nicht das duldsame Nebeneinander als Schwäche,

Wer nicht als Torheit den Glanz, der die Getrennten umfing?

Was kein Heute je war, kein Gestern, dem diese verweste

Zeit keinen Winkel bewahrt, dies weltlose Gebild

Wirklich doch und näher dem Traume der Menschheit: wir tragen

Noch seine Masse in uns, jeglichem Zugriff entrückt.

Also verging jenes Reich nur, daß es als Wolke hinleuchte.

Deutet ihr endlich dies Licht, deutet ihr auch unsern Sinn.

Aus dem Gedichtband „österreichisch Trilogie“, Verlag Herold, Wien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung